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Kenntniß der Passate wird ein Segelschiff auf dem großen Ocean ebenso rasch, wenn nicht rascher nach Indien und China gelangen, als ein gleichzeitig ausgelaufenes, das Wochen im Kreuzen vor der Straße von Gibraltar, Wochen in den veränderlichen Winden des Mediterraneum, Wochen oder Monate in denen des Rothen Meeres verlieren mag. So ergiebt sich ein zweites Plus auf der Kostenliste gegen den Canal, indem nur diejenigen Güter in profitabler Weise durch denselben werden bezogen werden können, die außer den Tonnengeldern auch noch den Kohlenverbrauch eigener oder fremder Dampfkraft zu tragen vermögen. Billige und raumerfordernde Waaren werden dadurch wahrscheinlich ausgeschlossen bleiben, für kostbarere wird sich dagegen der Weg durch den Canal empfehlen, also für dieselben, die schon jetzt durch die Suez-Eisenbahn befördert werden, und für eine noch größere Zahl, wenn die genügenden Vertiefungen des Canals nirgends mehr ein Umladen oder Erleichtern des Schiffes erfordern. Der Kaufmann wird bald einen Ueberschlag zur Vergleichung der ihm auf dem einen oder anderen Wege erwachsenden Ausgaben machen können, und erst die Praxis kann die endgiltige Entscheidung über den reellen Nutzen des Suez-Canals abgeben. Es ist hervorgehoben worden, daß die Durchstechung der Suezlandenge gerade geschehen sei, als die Zeit dafür reif gewesen, daß sie als ein durch die Bedürfnisse der Gegenwart hervorgerufenes und deshalb in derselben ausgetragenes Ereigniß zu betrachten sei. Obwohl indeß jedes Geschehende seinen vernünftigen Grund in sich trägt, bleibt der subjectiven Deutung stets ein weiter Spielraum. Ebensogut ließe sich sagen, daß der weltgeschichtlich richtige Zeitpunkt für eine Durchstechung des Suez-Canals damals gewesen sein würde, als der Schwerpunkt des politischen und commerciellen Lebens für Europa im Mittelmeere lag. In ägyptischer Vorzeit konnte an einen solchen Communicationsweg kaum ernstlich gedacht werden, da er nur nach barbarischen Nordländern geführt haben würde, denn die Straße nach Indien war durch das rothe Meer für den meerscheuen Aegypter bereits genugsam geöffnet, so daß er sie nur ungern durch den Süßwassercanal dann und wann weiter bahnte. Für diejenige Periode indeß, wo der damalige Welthandel seinen Mittelpunkt in Athen, in Syracus und Carthago fand, würde die Tragweite eines Suezdurchstichs, einer directen Verbindung mit Indien unberechenbar gewesen sein. Für uns ist die endliche Ausführung dieses Projectes verhältnißmäßig weit gleichgültiger, da der gerade Verkehrsweg nach dem südlichen Asien bereits durch die Eisenbahn hergestellt war, und vor Allem weil die Centralbörsen des heutigen Welthandels in der Nordsee und am Canal liegen. Eine Revolution würde die Eröffnung des Suezcanals dann

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 504. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_504.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)