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Daghi oder Ardh-Nouh verpflichtet glaubt, mit hypothetischen Völkerzügen Zeit und Mühe vergeudet, da (ob nun Amerika von Asien bevölkert sei, oder von Europa, und dieses von Asien, oder wieder von Afrika) wir auf unserer runden Erde doch nie zu einem Anfang gelangen werden, und besser von vornherein, bei den gegebenen Thatsachen der geographischen Provinzen stehen bleiben würden. Wenn in der polynesischen Bevölkerung physisch und linguistisch zwei Racen zu unterscheiden wären, von denen die eine malayische Verwandtschaft einschließt, so bliebe das ein wichtiger Fingerzeig, um stattgehabte Veränderungen aus früheren zu erklären, nicht aber eine erste Entstehung, die jedes Denken zum Stillstand bringen muß. Indeß scheint es gerade für Manche einen besonderen Reiz zu haben, sich in solcher Weise die Welt (wie in den Reisen mittelalterlicher Mönche) und die Stirn mit Brettern zu vernageln und dann in den wüsten Trümmern der Gedankenschäume bis zum langnasigen Affen oder zum Protoplasma hinabzusinken. Da hier Alles zu Ende kommt und der weitere Weg bis ins Urchaos etwas unbehaglich scheint, wird Kehrt gemacht, und von diesem bequemen Anfang aus gemächlich emporgestiegen bis zum Homo Sapiens, der sich jetzt freilich mühsam die Weisheit zu erkämpfen hat, die er früher nur zu vergessen brauchte, nachdem sie ihm von Oben her eingetrichtert war. Man spottet über alte Mythen, die in den Menschen gefallene Engel sahen und arbeitet dagegen an der Veredelung des Affen zum Menschen, als ob die eine Hypothese nicht ebenso thöricht wäre, wie die andere, oder wie alle Hypothesen, die gleich luftigen Seifenblasen dazu dienen mögen, Farbennüancirungen zu erklären, die indeß kein Vernünftiger zur Farbenpräparirung brauchbar halten wird. Der schematische Entwicklungsgang, der das Menschengeschlecht zu immer höheren Stufen der Vollkommenheit führt, ist ein sehr brauchbarer für die Induction, so lange sie ihn als Riß ihres Bauplans benutzt, aber doch wahrlich nicht als Baustein, der, gleich den übrigen aus realen Thatsachen innerhalb von Raum und Zeit gewonnenen, sich in ihre Reihe mit hineinzufügen hätte, und daneben eingemauert würde. Wenn wir hinaustreten in die Wogen des Völkerlebens, in die bunte Welt der Wirklichkeit, so sehen wir nur die Veränderungen des Werden’s, aber nirgends einen Anfang oder Ende, die über den irdischen Horizont hinausliegen. Bald hören wir die Mythen der Völker von einer goldenen Vorzeit erzählen, bei den vom Himmel herabgestiegenen Vorfahren der Inder, bei den, den Göttern durch ihre Heroen verschwägerten, Hellenen, bald sehen wir sie mühsam durch Arbeit emporklimmen, wie die Colonisten im Mittelreich oder die von Oannes belehrten Sumpfgeborenen. Für die Muyscas beginnt ihre Geschichte, als Nemterequetaba unter ihnen erschien, für die Ashantis, als sie vom Inta-See aufbrachen, und es wäre eine

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_491.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)