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Briefliche Mittheilungen über Hadhramaut.
Vom Freih. H. v. Maltzan.
Cairo, den 18. Oct. 1870.

 Hochgeehrter Herr!

Auf meinem Wege nach Arabien, wohin mich die von mir in der Juli-Sitzung 1870 des Vereins für Erdkunde angekündigte Reise führt, hatte ich hier Gelegenheit, einige interessante Notizen über den gegenwärtigen Zustand von Ḥadhramaut einzuziehen und zugleich die geographischen Angaben in der von mir herausgegebenen Reise Adolph von Wrede’s in Ḥadhramaut theils berichtigt, theils bestätigt zu hören. Ich kam nämlich durch einen glücklichen Zufall mit einigen Arabern aus dem Wâdý Do῾ân, den bekanntlich unser Wrede entdeckt und außer ihm noch kein Europäer bereist hat, zusammen und freute mich aus ihrem Munde die beinahe vollständige Bestätigung aller Wrede’schen Angaben zu vernehmen. Selbst in den Namen, deren Schreibart oft so sehr schwer zu fixiren ist, fand ich die Wrede’schen, von mir nach einem systematischen Lautprincip transscribirten Formen nur sehr selten einer Revision bedürftig. Bis jetzt habe ich erst zwei von Wrede fehlerhaft wiedergegebene Städtenamen entdeckt, nämlich Ḥalbun, welches Wrede fälschlich Ghalbun schreibt, und Badhy بَضى, das bei ihm Bedà بَدَى lautet. (Wrede’s Reise in Hadhramaut S. 253.) Diese Namen werden also in Zukunft anders zu schreiben sein. Auch muß bemerkt werden, daß das Wrede’sche Werk die Städtenamen in der Transscription der literalen Form wiedergiebt, welche von der Aussprache zuweilen differirt. Da letztere jedoch auch ihre Wichtigkeit hat, so führe ich dieselbe von den Städten, bei deren Namen jener Unterschied stattfindet, an, um der literalen Form an die Seite gestellt zu werden. Die Aussprache von Choraybe ist Chorêbe, die von Qarrayn ist Grên, die von Schiḥr ist Scheher, der Wâdý Mayfa῾a wird merkwürdiger Weise ganz so ausgesprochen, wie er sich auf den alten ḥimyârischen Inschriften (z. B. der von ῾Obne) findet, nämlich Mayfa῾t. Meine Gewährsmänner waren freilich wenig über die Grenzen des Wâdý Do῾ân hinausgekommen. Ein einziger war bis 3 Meilen vom Qabr Hud (dem Grabe des Propheten Hud) im Wâdý Qaçr vorgedrungen. Den mystischen Styx, den Brunnen Borhut oder Barahut, der bei den arabischen Geographen eine so große Rolle spielt, wollte Keiner von ihnen gesehen haben, auch schienen sie gelinde Zweifel über ihn zu hegen. Es waren überhaupt verhältnißmäßig aufgeklärte Männer. Einer von ihnen ist sogar Freimaurer. Ein anderer war mir im höchsten Grade interessant, indem ich nämlich aus seinen Erzählungen schließen konnte, daß er Wrede gekannt haben mußte; wenigstens erzählte er mir von einem Deutschen, der vor 27 Jahren (was genau zu Wrede’s 1843 unternommene Reise paßt) sein Vaterland, Ḥadhramaut, bereist habe, und seine Beschreibung desselben entsprach ganz dem Bilde, welches wir uns von Wrede machen.

Leider scheint der intolerante Fanatismus, der allen Europäern das Eindringen in’s Innere von Ḥadhramaut untersagt, noch heute ebenso mächtig zu sein,

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_465.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)