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mag aber auch der Farol seinen Antheil daran haben als eine Quelle von aufsteigenden Schwefelwasserstoffgasen, welche der Südwind über die Lagune trägt. Eine miasmatische, fieberreiche Atmosphäre auf dürren Savannen erwähnt Humboldt bereits als eine seltene Erscheinung; es läßt dieselbe mithin meistens auf eine fernliegende, übertragene Ursache ihrer Verdorbenheit schließen. Die dürren Savannen zwischen Barquisimeto und den östlichen Ufern des Maracaibosees sind aber von Fiebern heimgesucht, wie solche auch periodisch auftreten in der Stadt Maracaibo und den dürren Umgebungen des westlichen Ufers; es ist also die Annahme nicht ausgeschlossen, daß der Südwind faule Effluvien aus dem Gebiete des Farol über die nördlich gelegenen Savannen treibe.

Alle die mannigfaltigen Licht- und Lufterscheinungen der Aequinoctialgegenden Amerika’s würden unter einem lichtärmeren Himmel viel energischere Effekte hervorrufen; unter allem Leuchten, Glänzen, Blitzen, aller Reinheit und Klarheit der Atmosphäre jener Länder aber fallen sie viel weniger in das Auge; ja, sie entgehen einem großen Theile der Einwohner und der Fremden, die lange Jahre daselbst gelebt, wohl ganz, weil sie in der Fülle des Lichtes und Glanzes einige Lichterscheinungen mehr oder weniger nicht wahrnahmen oder von einander unterschieden. Nur ein Auge, das wachsam und geübt ist zu sehen, sieht wirklich, was die nordische Phantasie und Poesie so lebendig beschäftigt, wenn sie an magische Erscheinungen denkt, wie das Zodiakallicht, den Farol, die Magellanischen Wolken, Blitze in heller Mondnacht, Meteorregen, das südliche Kreuz u. s. w.

Die Umgebung von Maracaibo bietet dem Natur- und Pflanzenfreunde wenig Reiz; kein Baum überragt das monströse, bizarre Cactus- und Dornengestrüpp, als die angepflanzte Cocospalme; keine kühlende Schattendecke legt sich schützend um den mütterlichen Leib der Erde; tiefer, gelber Sand lähmt den Schritt; meilenweit schweift das Auge nur über verkrüppelte Akazien und Caesalpinien, über säulenartig, blatt- und stiellos aufgerichtete Fackeldisteln (Cereen), über schwach belaubte Capparideen, Crotoneen und Bigeonien; nur von den wenigen, periodisch fallenden Regen gespeist, klammern sich ihre genügsamen Wurzeln in dem trockenen, kiesigen, schlackenartig ausgebrannten Boden fest. Ueberall aber wird dies tonlose Pflanzengebilde belebt durch die Ziege, die in zahllosen Heerden ihre labyrintischen Weidegänge durch das undurchdringliche Buschdickicht bricht und sich sättigt an dessen trocknen, würzigen Blättern und Zweigen; trocken und heiß, wie der Boden ihrer Weide, scheint die Natur und organische Composition dieses Thieres; auch der Esel betritt in der Nähe der Stadt das Labyrinth der Ziegenpfade; weiter aber gewährt

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_447.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)