Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 434.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

lederne Gefäße nieder, um die eingekauften Marktwaaren einzunehmen; der Herr überläßt den Esel der Hütung des Dieners, während er abspringt und seinen Geschäften nachgeht; nach Beendigung derselben sitzt er wieder vor seinem Jokey auf und trabt im kurzen Galopp davon. Es läßt sich wohl ohne Uebertreibung annehmen, daß Maracaibo dieselbe Anzahl von Eseln besitzt, als erwachsene Männer im Orte leben, denn jeder Gewerksmann, der in Geschäften ausgeht, läßt sich von seinem Esel tragen, jeder Tagelöhner reitet auf seinem Esel an die Arbeit. Der Gebrauch der eigenen Füße scheint einer Verachtung der eigenen Person gleich zu sein; aus dem Gebote oder der Veranlassung des heißen Klimas zu solcher Schonung ist eine Mode, ein point d’honneur geworden.

Die Señora des Hauses erscheint nicht in dem öffentlichen Tagesgetriebe, am wenigsten auf dem unzarten Marktparterre. Der Hausherr waltet dort an ihrer statt. Die distinguirten Häuser aber werden durch die Köchin Señora repräsentirt, und zwar mit dem größten Aufwande an Kleiderpracht und äußerer Grandezza. Die Köchin Señora aber ist wiederum gefolgt von ihrem Leibtrabanten, dem sie mit majestätischer Geberde die erhandelten Gegenstände mit der Spitze ihres Fächers bezeichnet; auf diesen Wink nimmt der diensteifrige Page im Namen seiner Gebieterin Besitz von den verunzierenden Küchenobjecten und folgt, dieselben auf dem wolligen Haupte balancirend, der ersten Würdenträgerin in der langen Reihe der Dienerschaft wieder in das geheime Kunstatelier des distinguirten Hauses zurück.

Das zahlreiche Wildpret auf dem Markte Maracaibo’s gehört allen Klassen des Thierreichs, den Säugethieren, Vögeln, Fischen, Lurchen und selbst den Insekten an; die nächste Umgebung der Stadt ist in großen Mengen von kleinen Feldtauben bevölkert; das schmackhafteste und ein sehr zartes Fleisch, das auch von den Fremden, die sich im allgemeinen sehr reservirt gegen das einheimische Waidwerk verhalten, sehr geschätzt wird, liefern die hühnerartigen Vögel der Wälder, das Waldhuhn, der Hokko, der Pauxi, der Perdriz u. s. w. in die Küche. Das Wildpret aus der Klasse der Säugethiere stößt bei den Fremden meistens auf Abneigung, welche mehr der Unbekanntschaft mit demselben, als wirklichen Mängeln zuzuschreiben ist. Vorurtheil und Mißtrauen nimmt die Einbildungskraft gegen Tafelgenüsse ein, mit denen sich die heimathliche Gastronomie niemals beschäftigt hat und nicht beschäftigen konnte. Auch die Ueberfüllung des Marktes mit Wild macht dasselbe gewöhnlich und gering geschätzt. Kaninchen, Hirsche, Wildschweine, Gürtelthiere, Agutis, Packaschweine etc., denen im Binnenlande eifrig nachgestellt wird, nehmen

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_434.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)