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an Intelligenz, Muth und Thätigkeitstrieb. Sie durchschweifen hauptsächlich das Gebirge, weniger die Ebene, doch dringen sie zuweilen in kleinen Trupps bis nach Perijá vor, ohne die Einwohner zu beunruhigen, um gegen Thierbälge, Flechtwerke aus Palmenbast, Hängematten u. s. w., Salz und Mais, Zucker und andere Gegenstände einzutauschen. Ein solcher Besuch soll einmal sogar Neigung gezeigt haben, sich ganz anzusiedeln; jedoch die leidige Seelenanexionssucht der Priester scheuchte sie sofort wieder von ihrem Vorhaben zurück. Der Bekehrungseifer, der sich eines der Kinder bemächtigt und an ihm die Ceremonie der Taufe vollzogen hatte, wirkte so wenig erfolgreich, daß die braunen Söhne der wilden Freiheit mißtrauisch und zornig von dannen zogen. Die westwärts wohnenden Stämme zeigen einen wilderen Charakter und unternehmen zuweilen Raubzüge in das Valle de Upar.

Maracaibo liegt fast im Mittelpunkt des – nächst dem Orinocobecken – größten Binnenstrombeckens des Gebietes von Venezuela; sein Stromgebiet umfaßt einen Flächenraum von nahe 4550 Quadr. Leguas, von welchen 700 Quadr. L. von dem See von Maracaibo selbst eingenommen werden, dessen Umfang – mit den größten Einbuchtungen – 214 Leguas, ohne dieselben – 120 Leguas beträgt. Dieser See, der das Centrum des Beckens einnimmt, sammelt die Gewässer, welche von den Gebirgszügen von Ocaña und Perijá im Westen, denen von Mérida und Trujillo im Süden, und denen von Jirajaon und Emplado im Osten herabfließen, so daß sein Flußgebiet allein an 4000 Quadr. Leg. umfaßt. Aus den drei Senkungen im Osten, Süden und Westen empfängt er die Zuflüsse im Mittel von 120 Flüssen und 400 Bächen aus einem Gebiete von 2900 Quadr. L. aus Venezuela und 400 Quadr. L. aus Neu-Granada. Die Hauptzuflüsse des See’s sind der Rio Catatumbo aus dem Gebiete von Ocaña mit einem Flußgebiete von 750 Quadr. L., der Escalante aus dem Süden mit 300 Quadr. L. Flußgebiet, und der Motatan aus dem Osten mit 250 Quadr. L. Flußgebiet. Alle diese Flüsse sind in ihrem unteren Laufe, der ein sehr wenig erhabenes, in der Regenzeit weit und breit überschwemmtes Terrain durchschneidet, bis zu 25 und 40 Leguas aufwärts schiffbar. Vergegenwärtigt man sich, daß in der waldreichen, südlichen Umgebung jährlich 86½ Zoll und in der nördlichen Gegend 52 Zoll Wasser fallen, mithin im Mittel etwa 78 Zoll – d. h. drei Mal mehr Niederschlag als in Spanien erfolgt – so mag daraus erhellen, mit welchen Ziffern man zu rechnen habe, um eine annähernde Schätzung der Wassermengen zu gewinnen, welche der See aus allen seinen Zuflüssen in sich aufnimmt.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_430.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)