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Inseln oder gar über New-York, oder zu Lande von Maracaibo über Perijá durch das Valle de Upar, – ein Weg, der gewöhnlich bei Perijá schon sein Ende findet; denn westlich vom letzteren Orte hört das Reich der Kultur auf und beginnt das Reich der ungebahnten Wildniß und der wilden Indianer; mehr aber als Fels und Meer, trennen Wald und Steppe die Völker und der Hordenmensch die Stätten der Kultur von einander. So schiebt sich ein verhältnißmäßig nur schmaler, etwas über einen Grad breiter Länderkeil westlich von Perijá bis zu dem Höhenrücken der nach Norden streichenden Andeskette zwischen beide Republiken als eine unüberbrückbare Kluft ein. Wiederholt ist der Versuch gemacht worden, die beiden benachbarten Provinzen durch eine offene, gangbare Landstraße mit einander zu verbinden und namentlich dem herrlichen Hochlande von Ocaña für seine reichen Bodenprodukte einen neuen Absatzmarkt nach Maracaibo zu eröffnen; ich selbst nahm Theil an einer solchen Expedition, welche zum Durchbruch eines Maulthierpfades unternommen wurde, und gelangte auch von Ocaña über den Rio Catatumbo – freilich unter sehr erschwerenden Umständen und Zuständen – nach Maracaibo[1]. Jedoch Projekte und Ausführungen sind immer wieder gescheitert. Der Urwald zwischen der östlichen Wasserscheide der nördlichen Andes Neu-Granada’s und der Lagune von Maracaibo[WS 1] gehört gegenwärtig noch den unseßhaften Indianerhorden, Nachkommen und Bruchstücken der Quiriquires und einst mächtigen Motilones; ihre seßhaften Nachbaren meiden mit mehr oder minder begründeter Scheu das Betreten des Gebietes jener, da sie eifersüchtig und mit dem verbliebenen Reste der Feindschaft und Tapferkeit ihrer Urväter ihre letzten Daseinsrechte zu behaupten suchen; eigne Erfahrungen haben mich unterrichtet, daß ihre Berührung nicht unter allen Umständen freundschaftlich verläuft. Sie bewahren bis zur Gegenwart die Lebensgewohnheiten ihrer Vorfahren; sie gehen unbekleidet, suchen ihren Unterhalt in Jagd und Fischfang und führen ein Nomadenleben; ihr Geschoß besteht aus Bogen und Pfeil; letzteren verfertigen sie aus einem gegen 5 Fuß langen Rohrschafte und einer fest umwundenen Spitze, dem sägeartigen Schwanzknochen eines Rochen, die meistens vergiftet sein soll. Tauschhandel, gleich den nördlich wohnenden Goajiros, treiben sie nicht, und suchen der Berührung mit ihren seßhaften, der Kirche unterworfenen Verwandten auszuweichen; wenn auch friedfertiger als die Goajiros, so stehen sie doch weit unter diesen


  1. Darüber ausführliche Mittheilungen in: Grenzboten, 1865, erstes Semester No. 19, 20, 21, 22, 23 und zweites Semester No. 49, 50, 51. – Ferner: Unsere Zeit: 1869, Fünfter Jahrgang, Heft 17.
  1. Vorlage: Maracibo
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_429.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)