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würde. Du findest Shao-tshan-fu auf der Karte in der Provinz Kwang-tung, unter 24° 55′ nördl. Br. und ungefähr 113° 28′ östlich von Greenwich, am Pe-kiang oder Nord-Flusse, wo dieser aus der Vereinigung von zwei ungefähr gleich großen Flüssen entsteht. Der östliche führt auch noch den Namen Pe-kiang. Auf ihm führt der Weg über den großen Meiling-Paß nach der Provinz Kiang-si. Der westliche heißt Mu-shui. Man gelangt durch ihn über den kleinen Mei-ling-Paß nach der Provinz Hu-nan. Dies ist mein nächster Weg.

Diese Wasserstraßen und Pässe haben ein großes historisches Interesse; denn es hat vor dem Zeitalter des Dampfes wahrscheinlich wenige continentale Handelsstraßen gegeben, auf denen eine größere Gesammtmasse von Gütern transportirt worden ist als diese. So weit die chinesische Geschichte zurückreicht, haben die beiden Meiling-Pässe nebst dem Paß von Kweiling die einzigen Verbindungswege der südlichen mit den mittleren und nördlichen Provinzen von China gebildet. Während der drei Jahrhunderte, in denen der Zutritt der Fremden auf Canton beschränkt war, bildeten jene drei Pässe auch die einzigen Straßen für den Fremdhandel. Thee und Seide wurden über die Meiling-Pässe nach Canton gebracht, und die fremden Importe gingen auf demselben Wege nördlich. Jetzt hat dies aufgehört. Die Oeffnung von Shanghai und Hankau hat den Handel in andere Bahnen gelenkt, und die Dampfschifffahrt auf dem Yangtse und an den Küsten hat dem theuren und langsamen Transport auf den Binnengewässern einen großen Abbruch gethan.

Dennoch ist auch jetzt der Pe-kiang ein belebter Fluß. Besonders dient er noch den Mandarinen als Reiseweg. Manche von ihnen ziehen die Dampfschiffe vor. Aber die Mehrzahl hängt an dem alten langsamen Weg. Sie gehen von Pe-kiang auf dem großen Canal bis Tshing-kiang am Yangtse, dann diesen Fluß hinauf bis zum Poyang-See, auf dem Kan-kiang, dem großen Fluß von Kiangsi, aufwärts bis zum großen Meiling, und den Pe-kiang hinab nach Canton, das sie nach drei oder vier Monaten erreichen. Da sie fast immer im Boot sitzen, so können sie sich kaum ein fauleres und bequemeres Leben wünschen und genießen dabei den unschätzbaren Vortheil, sich mit Flaggen und Escorte von Kanonenböten, nebst Tamtams, Böllerschüssen und vielem anderen Scandal ein Ansehen geben zu können, das sie als Vorderdeckpassagiere auf Dampfschiffen nicht im entferntesten erreichen. Ich begegnete ungewöhnlich viel reisenden Mandarinen, machte auch mit einem die ganze Fahrt von Canton aus zusammen. Er war sichtlich zufrieden mit der fremden Begleitung unter norddeutscher Flagge, und meine Bootsleute konnten ruhig schlafen, während sie sonst aus Furcht vor Räubern zuweilen hätten wachen müssen.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_330.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)