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eine lebende Sprache. In dem ganzen übrigen Theil des Landes hat binnen wenigen Jahrhunderten der gewaltige chinesische Einfluß alles Eigenartige in Sprache und Sitten absorbirt. Die Mongolen haben etwas besser Stand gehalten; ihr Land ist zu wenig einladend, um eine schnelle Vermischung der Bevölkerung mit Chinesen zu gestatten. Nur der einzige vollständige Abschluß China’s entlang seiner Landesgrenzen ist der gegen Korea.

Ich hatte das Glück, gerade zur Meßzeit (am 9. Juni) nach dem Kao-li-mön zu kommen. Es waren ungefähr 300 Koreaner da, und etwa die dreifache Anzahl Chinesen. Der Unterschied zwischen beiden ist erstaunlich; und wenn man, wie ich, lange Zeit unter Chinesen gereist ist, so kann man sich des allergünstigsten Eindrucks durch die Koreaner nicht erwehren. Dies gilt allerdings wesentlich von den gebildeten Klassen, von denen ich hier zunächst spreche, Kaufleuten und Beamten aus den nächsten Städten. Die Koreaner sind von besserem Körperbau und gefälligerer Gesichtsbildung, als die nördlichen Chinesen und stehen in beiden Beziehungen ungefähr auf gleicher Stufe mit der besseren Klasse der Kanton-Chinesen. Ihre Physiognomie erinnert weit mehr an die der Japaner als an die der Chinesen; aber auch von jenen sind sie vortheilhaft verschieden, sie sind größer und hübscher als die japanischen Männer. Die Nase ist nicht so abgestumpft, wie bei den Japanern und Chinesen, und bei Vielen europäisch geformt, das Kinn mehr hervortretend, die Augenbrauen stehen mehr in gerader Linie. Sie lassen den Bart wachsen, und bei Vielen wächst er gut, wenn ich auch eigentliche europäische Vollbärte nicht zu sehen bekam. Bei den Meisten war er dünn aber lang. Wie bei den Japanern beginnt der Bartwuchs schon im Alter von 20 bis 22 Jahren, während bei einem 35jährigen Chinesen nur selten der erste Flaum zu sehen ist. Die Koreaner schätzten mein Alter richtig, während die Chinesen es stets um 20 Jahre zu hoch taxiren, da sie wesentlich nach der Stärke des Bartwuchses urtheilen. Das Haupthaar ist schwarz und lang. Die Unverheiratheten theilen es in der Mitte und flechten es hinten in einen Zopf, der aber an Länge und Ueppigkeit hinter dem chinesischen weit zurücksteht. Im Alter von 14 bis 16 Jahren sind sie kaum von Mädchen zu unterscheiden. Sie heirathen gewöhnlich im Alter von 19 bis 20 Jahren. Dann scheeren sie eine Tonsur in der Mitte des Kopfes und binden von allen Seiten das Haar in einen wohlgepflegten, auf dem Scheitel befindlichen Knoten auf. Ein feines schwarzes Gittergeflecht von einem starken Binsengewächs (nicht Draht oder Pferdehaar, wie gewöhnlich angegeben wird) schützt den Knoten, welcher mit einem schwarzen Bande um Stirn und Hinterkopf befestigt ist. Dies hält auch das heraufgestrichene

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_320.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)