Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 307.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Streit erregen, ehe die civile Scene in ihrer vollen Ausdehnung beendigt ist. Sie halten so wenig darauf, diese Höflichkeit zu zeigen, daß vielmehr jeder Tibbu, wenigstens auf Reisen, d. h. den Augen der Landsleute und folglich des Rechts entrückt, fürchtet, einem Landsmanne zu begegnen, nur Räuber und Diebe in allen ihm nicht persönlich bekannten Individuen witternd. Welche Unruhe entwickelte nicht sichtlich jedes Mal mein Führer und zweifelhafter Schutz, Akremi Kolókomi, sobald er nicht allzu alte menschliche Fußspuren im Sande entdeckte, selbst wenn diese nur einem einzigen Menschen angehörten! Welche unbegreifliche Vorsicht wurde nicht jedes Mal unter seiner Leitung aufgewendet wenn wir uns einem sicherlich nur von wenigen Menschen bewohnten Orte näherten, oder wenn eine optische Täuschung einem Baumstamm menschliche Gestalt und hohen Kräutern das Aussehn ruhender Kameele verlieh.

In Wahrheit und Kürze: Jeder fürchtet sich vor seinem Nächsten, sobald er nicht durch die Gegenwart Aller vor seinen Uebergriffen gesichert ist; Mißtrauen regiert alle ihre Schritte und ihren Verkehr. So erzeugt sich der Argwohn, die Heimlichkeit, mit der Jeder seine Hütte, so zu sagen „außer Schußweite“ des Nachbars, in verborgenen Felsschluchten aufschlägt und die Nacht zum Tage macht.

Da, wo sie gezwungen sind, nahe bei einander zu wohnen, in Mitten ihrer Gärten und Dattelbaumpflanzungen, hört Zank und Streit nicht auf. Es vergeht keine Woche, daß nicht leichte und schwere Verwundungen in Folge ihrer Zanksucht statthaben. Von zehn Individuen sind sicherlich acht mehr oder weniger verstümmelt, sei es durch Gelenksteifigkeiten, ausgedehnte Muskelnarben oder das Fehlen einiger Finger oder Zehen, und sehr selten sind das Errungenschaften des zweifelhaft ehrenvollen Feldes der Ghazien, sondern einfache Folgen ihrer heimischen Zornmüthigkeit und Zanksucht. Ihre Eitelkeit und ihr aristokratischer Stolz machen sie um so empfindlicher und gefährlicher, im Nu und durch ein Nichts verletzt brausen sie auf, und wehe, wenn ihre Lanze zur Hand ist.

Da ist auch keine Spur von gemüthlichem Volksleben, das Vergnügen findet an gemeinsamen Erholungen, Ergötzlichkeiten, an Musik und Tanz, an Spiel und Scherz. Wohl hört man bei festlichen Veranlassungen die Trommel, das Tamburin und eine Art Darbuka (die einzigen Instrumente, welche Tibesti kennt, die aber selten genug sind) ertönen, doch wie weit bleiben diese Versammlungen entfernt von den harmlosen Zusammenkünften der Neger Bornu’s, die in kindlicher Fröhlichkeit sich nur der Gegenwart und ihrer Lust hingeben, und deren gutmüthige Gesichter von Frohsinn und Heiterkeit strahlen! Wie kalt sind sie selbst im Vergleich mit den Volkslustbarkeiten der

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_307.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)