Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 168.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

daß man seine Schutzbefohlenen so chikanire, und ließ sogleich dem Amba, dem obersten Vertreter der chinesischen Reichsbehörde, melden, daß er die Fremden persönlich kenne und für ihr Verhalten während der Zeit ihres Aufenthalts bürge, gab ihnen auch die angesehensten chokandschen Kaufleute zur Begleitung mit, um ihnen in dem Verhör beizustehen. Die Letzteren, bemerkt Walichanof hier, nahmen überhaupt den lebhaftesten Antheil an den fremden Landsleuten und erwiesen ihnen viel Freundschaft und Hülfe.

Zwischen dem Karawan-Baschi und Dorgabek entspann sich nun folgende Unterredung: Wer seid Ihr und warum seid Ihr gekommen? Antwort: Wir sind Andschaner, gebürtig aus Margilan, Taschkend und Buchara,[1] haben in Rußland unsere Waaren verkauft, darauf russische eingekauft und sind hierher gegangen, weil wir von den Handelsvortheilen des Platzes hörten. Frage: Wenn Ihr Andschaner seid, warum kamt Ihr nicht auf der Straße, die für Eure Nation geöffnet ist? Antwort: Weil wir am Issyk-Kul waren, um Schafe einzutauschen. Frage: Wieviel Tage wart Ihr von Ssemipalatinsk unterwegs? Antwort: 75 Tage. Zuletzt fragte der Bek, indem er auf einen Spaten deutete, den man den Karawanenhändlern am ersten Tage abgenommen hatte, warum sie soviel solcher Waffen mitgebracht hätten. Die Antwort lautete, das corpus delicti sei eine Waare zum Verkaufen, und einer der geleitenden Chokander bemerkte spöttisch, wenn der Bek Gefahr von diesen Waffen befürchte, so könne er sie aufkaufen. Damit schloß das Verhör vor dem Manne, der für den klügsten in Kaschgar galt, und es scheint allerdings ein neuer Beleg zu der Behauptung Vámbéry’s zu sein, daß der chinesische Tatar sich zu den übrigen Städtebewohnern Mittelasiens verhält, wie der Bochariot etwa zum Pariser oder Londoner.

Unsere „Andschaner“ indeß hatten das Fegefeuer der Protokolle und Verhöre noch nicht völlig überstanden. Am vierten Tage sprengte der Ischkaga (ebenfalls ein tatarischer Beamter) mit mehreren Beks vor ihr Quartier und forderte sie auf, ihm zum Amba zu folgen. Die Andschaner sattelten ihre Rosse, und der Zug ging zum Stadtthor hinaus. Draußen sahen sie einige Zelte und daneben einige Vorrichtungen, die eine große Aehnlichkeit mit Galgen hatten. Man führte sie in ein Zelt, in welchem sie vier Beamte auf großen Sesseln sitzend vor sich sahen. Zwei hatten rothe Kugelknöpfe an den Mützen, von diesen war der Eine der Amban, der Andere der Hakimbek; die


  1. Da hier auch Bucharioten als Andidschaner oder Andschaner declarirt werden, so scheint es, daß diese Benennung in Kaschgar Kaufleute nicht nur aus Chokand, sondern überhaupt aus West-Türkistān umfaßt.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_168.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)