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dadurch vermieden werden, daß die Karawane in das Flußbett, dessen Lauf sie verfolgte, selbst hinabstieg und auf dem Eise, welches hier noch feststand, die Reise fortsetzte. Nahe dem Ausgange des engen Thales, in welchem die Straße liegt, steht das Gebäude Tasch-Rabat, von welchem der Berg seinen Namen hat. Rabat, sagt unser Gewährsmann, heißen im Orient Gebäude, welche auf großen Straßen zum Obdach für die Reisenden errichtet sind. Es sind Werke der Wohlthätigkeit, die einen Gott wohlgefälligen Zweck haben, wie auch die Anlegung von Moscheen, Schulen, Karawan-Ssarai’s, Wüstenbrunnen. Der bucharische Chan Abdullah war besonders durch solche Bauten berühmt[1], und so wird ihm auch die Aufführung dieses Rabat zugeschrieben. Das Gebäude ist aus Fliesen von Thonschiefer errichtet und hat etwa 84 russ. oder engl. Fuß (12 Ssaschen) in der Länge und 49 Fuß (7 Ssaschen) in der Breite. Ein langer Korridor führt in einen runden Saal, der 5 Arschin (= 112/3 r. F.) im Radius hat und mit einer sphäroidalen Kuppel überwölbt ist; an den Seiten des Korridors sind kleine niedrige Thüren angebracht, durch die man nur gebückt eintreten kann und in kleine länglich-viereckige Zimmer gelangt. Von innen und außen war das Gebäude einst mit Stuccatur bekleidet; Arabesken, welche Nischen umrahmen, waren hie und da auch noch erhalten. Die Kinder Asiens, welche Alles, was Kraft und Verstand erfordert, im unbewußten Gefühl ihrer Trägheit und Unwissenheit zu einer übernatürlichen Leistung stempeln, haben auch Tasch-Rabat mit einer Sage umwoben; sie sagen, daß man nie mit der Zählung der Zimmer zu Stande komme, und wenn man das eine Mal 40 gezählt, so komme beim andern Mal die Zahl 41 heraus u. s. w. Den Dikokamennyje oder Kara-Kirgisen ist das „steinerne Haus“ selbst ein Gegenstand der Verehrung, dem sie Opfer darbringen. – Soviel von dem merkwürdigen Hospiz am Nordfuße des Tasch-Rabat, welches jedenfalls als ein Beweis für die einstige Belebtheit der an ihm vorbeiführenden Handelsstraße angesehen werden kann und vielleicht noch, wenn es gründlicher untersucht wird, zu interessanten Aufschlüssen führt. Begeben wir uns jetzt wieder nach Osten in das Hochthal des Akssai zurück.

5. Der Südrand des Thian-Schan und sein Abfall nach Kaschgar zu. Als Ssäwerzof vom Passe Tas-assu das Akssai-Thal überschaute, sah er sich gegenüber auf der Südseite des letztern eine hohe, steile, mit ewigem Schnee bedeckte Bergkette, deren Erhebung über der Thalsohle er nach Augenmaß auf 1800–2100 M. schätzte. Hiernach würde diese Kette Kok-kija eine absolute Höhe von 4800


  1. Bestätigt durch Vámbéry, Reise in Mittelasien. S. 301.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_161.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)