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und als ein Schneefall eintrat, schmolz der Schnee unter den heißen Sonnenstrahlen bald wieder weg. Reich war hier die zoologische Ausbeute, da zahlreiche Heerden von Steinböcken und wilden Schafen, auch Wildschweine diese Hochsteppe bevölkern. Am interessantesten war auf dem Wege vom Bors-Kaun zum Naryn die Begegnung mit dem blaßgelben Steppenbär, einer Varietät des U. isabellinus, der hier von der Jagd auf Murmelthiere lebt. Dieser Bär, der aus der Ferne völlig weiß erscheint, ist nur wenig kleiner als der gewöhnliche braune, dem er im Uebrigen ähnlich ist. Eine ausgewachsene Bärin mißt gegen 1,3 M. in der Länge, der Bär erreicht an 1,5 M. Das Thier trägt einen langhaarigen Pelz, die Haare werden bis 10 Centim. lang, die Nägel sind gerader als bei den Waldbären. Der Taragai oder obere Naryn erscheint im Meridian von Bors-Kaun schon recht bedeutend, in zahlreichen Armen füllt er ein Thalbett von 3–4 W. Breite. Den Namen Naryn empfängt der Fluß erst dort, wo er seine erste obere Stufe verläßt und in sein erstes Durchbruchthal eintritt. Dieses ist nach einer Schätzung Walichanof’s, der es auf der Rückreise in 3 Tagen durchzog, etwa 10 Meilen lang und heißt „Kaptschagai“, „das felsige.“ Die Berge rücken hier auf beiden Seiten hart an den Fluß heran, der mit raschem Lauf und starkem Gefäll durch sie hindurchströmt. Der Weg geht hier an den steilen Abhängen hinauf und hinunter, oft zu einem schmalen Pfad verengt, zuweilen durch plötzlich abfallende Stufen erschwert. Am Ufer des Flusses selbst wachsen Tannen und Wachholder, ein Zeichen der hohen Lage des „Kaptschagai,“ welche Ssäwerzof auf 3000 M. schätzt; auf den einschließenden Bergen liegen schöne Alpenweiden, die dem Kirgisenstamme der Bogu als Sommeraufenthalt dienen. Das Kaptschagai endigt an der Mündung des Kleinen Naryn, der in der Gegend des Passes von Bors-Kaun entspringt, und von rechts her in den Naryn fällt. Es beginnt von hier ab die zweite Stufe desselben, wo der Fluß wieder in einem breiteren Thale fließt, in welches er sein Bett bis zu einer Tiefe von 60 M. eingegraben hat. In dieser Weise erstreckt sich das Thal des Naryn bis zur ehemaligen chokandschen Festung Kurtka, etwa 150 W. = 21 Meilen weit. In dem unteren Theile dieser Strecke ist der Flußlauf durch einen Saum von Sanddorn, Pappeln, Weiden, Robinien bezeichnet, die Berge an den Seiten theilweise mit Nadelholz (Picea Schrenkiana) bewachsen, außerdem nach Baron von d. Osten-Sacken[1] mit einer reichen Vegetation von Sträuchern, u. a. Rosen, Spiräen, Berberitzen, Caraganen, Sanddorn, Potentilla fruticosa. Unterhalb Kurtka beginnt ein neues


  1. s. Iswestija, Bd. 4, I., S. 100.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_154.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)