Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 129.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mehr Neugierde mich und meine Sachen begafften, als ich es bei den stupiden Eingeborenen des Landes gewohnt war. Ein Dolmetscher ermöglichte eine vollständige Conversation, die mir nicht geringes Interesse gewährte. Während ich mich an ihren musikalischen Leistungen auf der Guitarre erfreute, konnten die Niām-Niām sich nicht genug an den dargebotenen Wundern satt sehen. Meine Uhr, ein Hinterladergewehr, die Revolver, bis zu den Kleidern und Zündhölzchen, mußten ihnen Stück für Stück erklärt werden. Diese Leute waren nicht eigentliche Sklaven, sondern, wie häufig der Fall, aus freien Stücken und nur um ein Hemd und ein Gewehr tragen zu können, den Fremdlingen gefolgt. Diese zwei Bedingungen, die gute Fütterung natürlich mit inbegriffen, sind ausreichend, um überall in diesen Ländern ganze Schaaren von Begleitern und Knechten um sich sammeln zu können, und ich deute absichtlich darauf hin, um zu zeigen, wie leicht es der ägyptischen Regierung werden würde hier nach Belieben zu rekrutiren, ohne den geringsten Zwang ausüben zu müssen. In diesen Verhältnissen ließe sich auch eine Lösung der schwierigen Frage finden, wie man bei der Sklaverei (welche an und für sich weder als etwas Unrechtes noch als etwas der menschlichen Gesellschaft Nachtheiliges betrachtet werden kann, wenn man einen unparteiischen Blick auf unsere socialen Zustände und die Geschichte der Neger in den Colonien wirft), die böse Alternative vermeiden soll, entweder mit Menschen Handel zu treiben, oder Menschen rauben zu müssen.

Unter den interessanten Bekanntschaften, die ich hier machte, muß auch die eines Sklavenhändlers aus Tunis genannt werden, welcher über Cairo und Chartūm die weite Speculationsreise gemacht hatte, und zwar bereits zum zweiten Male. Er sprach französisch und las zum größten Erstaunen der Anwesenden die Namen auf Hassenstein’s Karte ab. Er war der feinste und anständigste seines Gewerbes, den ich je gesehen, man hätte ihn für einen geheimen Afrikareisenden, einen verkappten Rohlfs halten können. Hautfarbe und Weltkenntniß ließen uns einander wie Landsleute betrachten, die sich in weiter Ferne begegnen.

Nirgends dagegen auf der Welt läßt sich ein roheres und verruchteres Gesindel finden, als die Händler, welche Dar-Fur alljährlich über diese Länder speit. Der Mehrzahl nach Faki’s ihres Standes (Priester und Lehrer) tragen sie ausnahmslos eine Scheinheiligkeit zur Schau, die wahrhaft empörend ist, wenn man dabei ihre Thaten betrachtet, andererseits aber vollständig in ihren mahomedanischen Kram paßt. Die Suren des Koran in der einen Hand, das Kastrir-Messer[1]


  1. Vielleicht die Einzigen der Welt, welche noch das schändliche Gewerbe des Verschneidens von Knaben üben.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_129.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)