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erstenmale auf allen meinen Reisen in diesem Welttheil an die Pracht nordischer Wälder, und fand nur in zwei ähnlichen Partieen des Landes ihres Gleichen, am Chor von Okel östlich, und bei der verlassenen Seriba Kurschuk Ali westlich von Djūr. Uncarien mit weichem 2 Fuß langem Laube und lederblättrige Syzygien bilden diesen indeß auf einen kurzen Raum beschränkten Hochwald. Interessant erschien auch das Vorkommen von Phoenix spinosa, der Weinpalme Westafrika’s, welche meist in Gestalt von Gestrüpp, und selten Stämme von 4–6 Fuß Höhe bildend, im gesammten oberen Nilgebiete zerstreut angetroffen, aber von den Eingebornen unbenutzt gelassen wird.

Die folgende Strecke besteht zur Hälfte aus Steppenniederungen, wo häufig ganze Heerden Giraffen anzutreffen sind, und z. Th. aus festem Felsboden von dichten Buschwaldungen überdeckt, in denen es von Warzenschweinen wimmelt. Der Bambus, bei der Haupt-Seriba fehlend und stets auf die Ufer von Bächen und Flüssen beschränkt, gehört derselben Art an, welche dem Dār Fāzogl und den Kuolla-Regionen Abyssiniens eigen ist. Das Rohr erreicht bis 30, selten bis 40 Fuß Höhe, und besitzt an den stärksten Exemplaren, die ich sah, einen Durchmesser von 3 Zoll rh. (7 Centm.). An den Knoten nirgends angeschwollen, bietet es zudem den großen Vortheil einer leichten Spaltbarkeit; daher werden die Wände der Hütten mit demselben umflochten, während die Kegeldächer auf Kränzen und Stangen von solchem Rohre ruhen.

In Gir tobten zwei Nächte und ein Tag in ununterbrochener Folge die wilden Orgien der Eingeborenen, welche zu einem bei der Aussaat und zum Regenmachen stattfindenden Feste aus der Umgegend in großer Zahl versammelt waren. Unglaubliche Massen von Merissa wurden vertilgt und versetzten die Gesellschaft in denjenigen Grad von Extase, welcher sie zur Ausdauer im Getobe befähigte. Musikalische Unterhaltungen der erwähnten Art spielten die Hauptrolle beim Feste, zu dessen Verherrlichung die Körper von Lulufett trieften. Die kautschukartigen Bewegungen der Tanzenden stimmten vortrefflich zu ihrer Hautfarbe; in der That glaubte man eher ein maschinenmäßiges Puppenspiel, als eine Unterhaltung vernünftiger Wesen vor sich zu sehen.

Ein 1½ stündiger guter Marsch führte von hier durch dichten Buschwald in SSO. zu der kleinen Seriba Addai, welche am Nordrande der vom Tondj durchströmten Niederung gelegen ist, einer Steppenfläche von über einer Stunde im Durchmesser, welche im SO. von bedeutend ansteigendem Boden begrenzt wird. Ein schönbewaldeter Felsabsturz voller Eberhöhlen und am Fuße von dichten Bambus umstanden, auf der Ostseite, und eine 120 Fuß aus der Steppe sich erhebende, Lelē genannte Hügelkuppe in SSW., ½ Stunde entfernt, bilden die

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_124.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)