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Compagnie gehörten und einige kleinere Gesellschaften anderer Händler sich derselben angeschlossen hatten. An Bewaffneten zählte der lange im Gänsemarsche einherschreitende Zug allein gegen 200, im Ganzen eine Macht, mit welcher man unangefochten die größten Staaten Central-Afrika’s hätte durchziehen können. Für die Aufnahme einer genauen Route und zur sicheren Beobachtung der wechselnden Wegerichtungen in diesem flachen, Landmarken jeder Art entbehrenden und noch dazu durch einförmige Buschwaldungen verdeckten Lande bot eine so zahlreiche Reisegesellschaft große Vortheile, da der endlose Zug eine Kette von 1½–1 Kilometern darstellte und die weißen Fahnen des Ghattas[1] weithin leuchteten. Nichts kann für den reisenden Naturforscher angenehmer sein als das Reisen mit Trägern; abgesehen von der Schnelligkeit und Präcision des Aufbruchs, dem gleichmäßigen Fortkommen ohne Unterbrechung, bietet die Leichtigkeit, in jedem Moment zu seinem Gepäck gelangen und selbst bei den kürzesten Rasten Koffer und Säcke öffnen zu können, unberechenbare Vortheile, während man bei Reisen mit Kameelen mit dem kleinen Schnappsack oder der Reisetasche, welche auf dem Reitthiere befestigt sind, sich begnügen muß, und selbst bei den Lagerplätzen die mit Stricken umwundenen Kasten nicht zu öffnen wagt. Sauer wurden mir die ersten Marschstunden, nachdem ich monatelang auf die enge Barke, die kurzen Uferexcursionen und meine kleinen Inseln beschränkt geblieben, denn die Negerträger marschiren ohne Rücksicht auf Hitze und Sonnenbrand in einem Tempo, welchem bei uns zu Hause nur Alpentouristen ersten Ranges zu folgen vermöchten. Ich zählte meist 130 meiner Schritte in der Minute (à 0,6–0,7 Meter), welche sich bis zu 135 steigern konnten, während das Minimum eines schlechten Marsches 120 betrug. So marschirten wir in der Stunde an die 5 Kilometer, nie weniger als 4½ Kilometer. Das Terrain bot zu dieser Jahreszeit keinerlei Schwierigkeiten dar; die Sumpfstellen waren steinhart und das Hochgras der Steppen aus- und niedergetreten, die Waldungen licht und aus isolirten Bosquets, wie im südlichen Nubien, gebildet. Vortheilhafter für die Geographie wäre freilich hier zu Lande das Reisen während der Regenzeit, weil nur alsdann die Bedeutung und Begrenzung der periodischen Wasserzüge zu taxiren ist. Periodisch, dieser häufig gebrauchte Ausdruck bei Besprechung hydrographischer Verhältnisse Afrika’s, ist in sofern keine zutreffende Bezeichnung, da die Bäche, Flüsse und Ströme, welche in der regenlosen Zeit ganz oder theilweise versiegen, trotzdem mit eben so großer Regelmäßigkeit


  1. Die einzelnen Compagnien Chartūmer Kaufleute unterscheiden sich durch Farben und Zeichnung ihrer Fahnen, welche stets an der Spitze des Zuges getragen zu werden pflegen.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)