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bereits war dann völlige Dunkelheit hereingebrochen, bevor das laute Treiben derselben in den rauschenden Dickichten ein Ende fand und anzeigte, daß nun ein jeder Spatz sein Nachtquartier hergerichtet und definitiv auf dem einen oder anderem Strahlenhalme der riesigen Papyrus-Dolden Platz gegriffen. Früh vor Sonnenaufgang bereits waren dann ferner die Papyrus-Dickichte von ihren nächtlichen Bewohnern gesäubert, welche weit gen Westen und landeinwärts für den Tag zu ziehen gewohnt waren. Nichts vermochte mir den Grund und die erstaunliche Regelmäßigkeit dieser täglichen Erscheinung zu erklären. Nährten sich die Vögel von den zu jener Zeit gerade reifenden winzig kleinen Saaten des Papyrus, so war kein Grund einzusehen, weshalb sie so spät ihrer Nahrung nachgingen, suchten sie aber Schutz vor nächtlichen Räubern in diesen von Mückenschwärmen und glühenden Johanniswürmchen erfüllten Sümpfen, weswegen kamen sie nicht frühzeitiger zu dieser Zufluchtsstätte gezogen?

Geschützt durch endlose Sümpfe und ein Labyrinth von Canälen vor gefährlichen Vierfüßlern des Festlandes (nur selten schallt Nachts aus weiter Ferne das Geheul der Hyänen herüber), hätte der Fremdling hier nur das größte aller Raubthiere, den Menschen selbst, zu fürchten, wenn nicht die Gunst der Verhältnisse und ein kaum anderswo in diesem dem Raube und der Willkür des Stärkeren preisgegebenen Theile von Afrika wiederzufindendes mustergültiges Gleichgewicht gegenseitiger Bosheiten kraft der in sich selbst begründeten Nothwendigkeit für die größte Ruhe und Sicherheit sorgten, die man sich in der Fremde nur wünschen kann. Die Eingeborenen, welche im weiten Umkreise der Meschera alles Land inne haben, nennen sich Djanghé und bilden einen bedeutenden Theil der großen Dinkafamilie, welche sich im Süden der Meschera bis über den 8. Grad nördl. Breite ausdehnt, und im Westen von den Bougos (Dōr), in Südwesten von den Djur begrenzt wird. Sie reden die Dinkasprache unverändert, und scheinen sich nur unwesentlich vom Hauptstamm zu unterscheiden. Leider gebricht es mir noch zu sehr an der Racenkenntniß dieser Gegenden, um hier auf die wichtigsten Unterschiede aufmerksam machen zu können. Eine der einflußreichsten Personen dieses Stammes, welche an der Meschera eine Art Häuptlingsrolle spielt, ist eine bereits bejahrte Frau Namens Schōl. Unermeßlich reich an Rindern würde sie längst eine Beute der hier landenden hauptsächlich auf Viehraub angewiesenen Horden der Nubier geworden sein, hätte nicht auf der andern Seite die Nothwendigkeit, sich einen gesicherten Landungsplatz zu erhalten, wo Barken und Mannschaft auch nach Abzug der Bewaffneten unbeschadet verweilen konnten, die anlockende Beute bei weitem aufgewogen und die fremden Eindringlinge gezwungen,

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_102.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)