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durch eine weitere, so würde es leicht scheinen bei der Vereinigung beider Ströme zu entscheiden, welchem die größere Rolle gebühre, wenn nicht im Nachforschen nach dem Ursprung dieser Wasser die Bedeutung der bei ihrer Entstehung cooperirenden Factoren die Frage in einem ganz anderen Lichte erscheinen ließe. Hier sahen wir in kurzen Zwischenräumen eine Anzahl Flüsse, von denen mindestens drei, und ein jeder für sich, bedeutender erscheinen, als irgend ein bekannter Zufluß des Bachr-el-Gebel, in eine Art binnenländischen Fluß-Liman zusammenfallen, den die Schiffer Bachr-el-Ghasāl[1] genannt haben, und dessen Fahrwasser von den frühesten Versuchen an (Nero’s Centurionen) bis zu den merkantilen Entdeckungsfahrten der letzten Jahrzehnte die Barken stets in jene Sackgasse geführt hat, welche sie ihre Meschera zu nennen pflegten. Anfangs, so lange man den bedeutendsten dieser Zuflüsse, den Djurfluß, welcher indeß an Bedeutung hinter dem Bachr-el-Gebel in jeder Beziehung zurücksteht, noch nicht gesehen und seine versteckte Eintrittsstelle nicht entdeckt hatte, war das Erstaunen der ersten Besucher kein geringes, einen so großen Strom plötzlich in einem Gewirre kleiner halbverwachsener und durch Gras angefüllte Canäle von einander getrennter Inseln ohne irgend einen bedeutenden, geschweige denn schiffbaren Zufluß aufhören zu sehen; nach dem Stande unserer heutigen Kenntniß, ich möchte nochmals darauf hinweisen, erscheint der Gazellenfluß nur als „die bei Niederwasser schiffbare Rinne eines binnenländischen Limans.“ Die gleichmäßige Tiefe dieses Fahrwassers, wie eine gleichsam zufällige Willkür der Bodengestaltung oder vielmehr der wuchernden Grasvegetation erscheinend, welche bald hier bald da in gewisse Grenzen gebundene Lücken offen ließ, ist vielleicht nur als das Bild zu betrachten, welches uns ein überdauernder Rest von dem ehemaligen vor undenklichen Zeiten gewiß in bestimmte Ufer eingezwängten Laufe des Hauptstromes vorführt.

Hat man die seeartigen Stromerweiterungen im Westen der Bachr-el-Arab-Mündung, deren genaue Begrenzung und vielfache Gliederung auf den vorhandenen Karten kaum in ihren rohesten Umrissen angedeutet erscheinen, durchfurcht, so gelangt man bereits oberhalb der Mündung des Djur, in einen von festen Ufern umgebenen etwas gewundenen


  1. Dieser Name hat übrigens nichts mit der gleichlautenden Bezeichnung für die Luftspiegelungen der Wüste (so genannt, weil die vor dem Nahenden zurückweichenden Trugbilder einer unerreichbaren Gazellenheerde gleichen, welche sich ängstlich in Schußweite haltend, ab und zu stehen bleibt und die herannahende Gefahr anstarrt) die hier fehlen, zu thun; man sagt Gazellenfluß, wie man den Bachr-el-Seraf den Giraffenfluß zu nennen pflegt.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_098.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)