Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 058.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Hier wurde ich durch den unerwarteten Anblick mehrerer Balaeniceps die am Ufer einherstolzirten, um mit ihrem breiten Schnabel im Schlamme des Ufersaumes zu fischen, überrascht und war so glücklich ein schönes Exemplar nur wenig verletzt durch einen Kugelschuß in den Rücken zu erlangen, ein zweiter, gleichfalls angeschossener Abu-Markub (dies ist der arabische Name, welcher den Vogel sehr passend seiner seltsamen Schnabelform halber, als Urbild des Pantoffels bezeichnet) konnte von den zu ihrer Verfolgung ans Land springenden Nubiern nicht erwischt werden.[1] Bei einer benachbarten Gruppe von Hütten wurde gehalten und Tauschverkehr mit den Nūer eingeleitet, welche Schafe und Ziegen zum Kauf anboten. Darunter befand sich eine der Schillukrace völlig entsprechende, aber sehr große und fette schwarze Ziege, welche in auffallendster Weise eine fast vollständige Zwitterbildung zur Schau trug.[2] Eine gelbblühende Ottelia-Art mit 1–2 Fuß langen Blättern trat bis an seichteren Uferketten zum ersten Male auf, um in der Folge in den oberen Gewässern dieses Flußes eine große Rolle in der Wasserflora zu spielen.

16. Februar. Den Tag über wird im Mittelpunkte der Nūer-Bevölkerung bei den Niēng genannten Dörfern gehalten. Ich benutze diesen Aufenthalt, um den ganzen Tag auf meinem Ambatschkahne am Ufer umherzufahren und die Gewächse des Wassers zu sammeln.

17. Februar. Nach kurzem Segeln erreichten die Barken die erste Waldstelle, welche an dem Ufer des Gazellenflusses wahrgenommen wird. Talch-Acacien sind hier noch sehr häufig, während in grösserem Abstand vom Ufer Tamarinden und gleich dicht belaubte Kigelien auftreten. Termitenhaufen, bei 10 Fuß hoch, sind, soweit sich blicken läßt, überall zerstreut, und bilden die einzigen Unebenheiten des unbegrenzt flachen Landes. Größer und dichter sich gestaltende Papyrus-Massen zeigen sich nun zu beiden Seiten des Flusses, welcher sich bei stellenweis reizender Waldscenerie in steten Mäandrinen durch die dicht herantretenden und mit den rothen Winden der Calonyction reichbeflorten Gesträuche hindurchschlängelt. In dieser Gegend trat auch die erste baumartige Euphorbia auf, ein neues Charaktergewächs der Flora des oberen Nilgebiets, welches naheverwandt der officinellen


  1. Beim erlegten Exemplar betrug der directe Abstand beider Flügelspitzen von einander Meter 2,62, über die Brust gemessen; die Länge des Laufs M. 0,25; der Brustumfang unter den Achseln M. 0,51.
  2. Die äußeren Geschlechtsorgane waren fast vollständig in beiden Formen entwickelt. Unter dem After die große regelrechtgestaltete Vulva, aus welcher clitorisartig ein 2 Zoll langer Penis mit weiter Oeffnung an der Spitze, welche offenbar zum Harngange führte, hervortrat; vor diesem complicirten Apparat hing an der gewöhnlichen Stelle der in einer Länge von 8 Zoll entwickelte Hodensack.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_058.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)