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und Ahnencultus mögen auch bei ihnen, wie bei allen niederen Menschenracen, die Stelle religiöser Mythen und Moral vertreten.

Das Lager des Mudirs bestand aus einigen sehr leichtfertig erbauten Strohhütten, Zelten und Schilf-Veranda’s; eine ganz gewöhnliche Dornhecke, von zwei Oeffnungen unterbrochen, in welchen je eine Kanone postirt war, umgab den hart am linken Flußufer in der Ebene befindlichen Platz.

In der Rokuba des Mudirs lernte ich auch den Häuptling der Schilluk kennen, welcher zu der ägyptischen Regierung in ein abhängiges Verhältniß getreten ist und nun, wie der Gouverneur sich ausdrückte, lernt vernünftig zu werden. Se. adamitische Majestät war ohne jedwede Auszeichnung, wenn man dazu nicht den elenden Lappen um die Lenden und die ordinairen Sandalen rechnen will, die er trug, kurzgeschorenes Haar ohne Kopfbedeckung, sowie ein großperliges Halsband (von der Berred genannten Sorte), wie es jedes Familienoberhaupt zu tragen pflegt, war alles, was er von Schmuck an sich trug. Obgleich auch hier in der nächsten Umgegend allgemeiner Landfriede herrschte und die Schilluk sich daran gewöhnen, einer Regierung zu gehorchen, welche statt schwerer Frohndienste, wie sie es verdienten, um der Cultur Eingang zu schaffen, von ihnen als Abgabe nur einige Rinder und die für den Unterhalt der Truppen erforderliche Quantität Durrakorn verlangt, so steht dennoch der Gouverneur mit allen südlichen Schilluk in offener Fehde. Wird ein Kriegszug unternommen, so kommt es nie zu einer eigentlichen Schlacht, da die Neger, auch wenn sie zu 20–30,000 Bewaffneten zusammen sind, nach dem zweiten Kanonenschusse auseinanderlaufen und ihre Heerden im Stiche lassen, die alsdann von berittenen Baggāra-Arabern im Dienste der Regierung, welche im Viehfange große Gewandtheit entwickeln und von Alters her eine besondere Vorliebe für diese Art Beschäftigung an den Tag gelegt haben, regelrecht mit Beschlag belegt werden. Die Stellung der Regierung ist in diesem Gebiete insofern keine leichte, weil sie sowohl die Schilluk, als auch die den Fluß hinauffahrenden Handelsgesellschaften zu Feinden hat. Nichts bezeichnet dieselbe besser als die Aeußerung eines der letztgenannten Parthei Angehörigen. „Der Mudir“, sagte dieser, „will den Schilluk nicht gehörig zu Leibe gehen, er schont sie und verlangt nur einiges Rindvieh; wir aber wollen sie ganz und gar vernichten, die Satansbrut.“ In der That will der Mudir nur das Beste der Schilluk; letztere aber, in der Meinung, es seien dies ihre Rinder, wollen es nicht hergeben und trotzen so lange, bis ihnen die Granaten und Raketen auf den Pelz brennen.

5. Februar. Wir verlassen Nachts den Lagerplatz des Mudir und segeln die ganze Nacht hindurch bis früh Morgens kurz unterhalb der

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_048.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)