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Erst in der Nacht des 2. Februar verließen wir Faschōda und erreichten früh Morgens das Lager des Mudirs. Von letzterem aufs Liebenswürdigste empfangen und mit militärischem Hörnerklange begrüßt, nahm ich hier einen Aufenthalt von 3 Tagen, um Briefe und Packete zu besorgen[1]. Schöne Waldungen von Gummi-Acacien umgeben den Platz, und endlos nach allen Richtungen dehnen sich die Schillukdörfer aus (daher der arabische Name Denab, Schweif). Der Mudir, welcher weite Streifzüge nach allen Richtungen unternommen hat, versicherte mich, auf 6 Stunden Distanz landeinwärts sei keine Abnahme in Hinsicht der Dorfmengen zu bemerken, und beantwortete meine Frage, nach wie viel Seelen er das Schillukvolk schätze, damit, daß er die Meinung äußerte, sie müßten wenigstens eine Million betragen. Da die einzelnen Tokkulgruppen zwar klein sind, aber in Abständen von nur wenig hundert Schritten von einander liegen, indeß größere Ortschaften ganz zu fehlen scheinen, so läßt sich zur Taxirung der Bevölkerungsdichtigkeit ein Vergleich mit europäischen Ländern schwerlich anstellen. Selbst Flandern und Brabant würden im Vergleich mit dem Schilluklande weit minder mit Hütten und Häusern belebt erscheinen, allein diese Provinzen sind voll volkreicher Flecken und Städte. Dessenungeachtet muß man hier doch mindestens 6000 Seelen auf die deutsche Quadratmeile rechnen, und wenn man die Ausdehnung des Gebiets am linken Nilufer auf 50 deutsche Meilen und die Breite des dichtbevölkerten Landes auf 3 d. Meilen rechnet, mithin 150 Quadratmeilen erhält, so würde die Schätzung des Mudirs auf 1 Million Schilluk von der Wirklichkeit nicht viel abzuweichen scheinen, da bei dieser Berechnung die weithinein in den Steppenländern mit den Viehheerden verbreiteten oder an den zahlreichen von NW. in den Nil fallenden Chor’s entlang wohnenden Schilluk, und schließlich diejenigen nicht berücksichtigt wurden, welche am unteren Sobāt seßhaft sind.

Sehr mußte ich bedauern, nicht mehr Zeit gewinnen zu können, um den interessanten Mittheilungen zuzuhören, welche mir der Gouverneur, ein intelligenter Kurde, über das Leben der Schilluk machte. Die einzige Vorstellung, welche dieselben von einem höchsten Wesen besitzen, beschränkt sich bei ihnen auf die Verehrung eines gewissen Heros, den sie ihren Stammvater nennen, der sie in das jetzt von ihnen bewohnte Land geführt hat und der von ihnen im Falle der Noth oder um Regen und gute Erndte zu erzielen angerufen wird. Von den Verstorbenen nehmen sie an, daß sie unsichtbar stets in der Nähe der Lebenden weilen und sie begleiten. Wandersagen


  1. Die von dort abgesandten drei Kisten mit Naturalien sind im December 1869 in Berlin angelangt.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_047.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)