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Cadaver als lebende Wesen zu erblicken. Die Statur der Schilluk ist eine mittlere und bleibt weit hinter den mit langem Unterkörper hochaufgeschossenen Dinkanegern zurück. Wie die große Mehrzahl der nackten oder fast nackt einhergehenden Afrikaner verwenden sie viel Sorgfalt auf das Arrangement ihres Haupthaars. Aller übrige Haarwuchs wird durch frühzeitiges Ausreißen sorgfältigst entfernt, an Backen, Lippen etc. Das Haupthaar nun wird (bei den Mannern) vermittelst Thon, Gummi oder Mist so lange in der erwünschten Richtung zusammengekittet, bis es eine helm-, schirm- oder kammartige Gestalt annimmt. In dieser Hinsicht nämlich bietet eine größere Anzahl Schilluk-Männer große Mannigfaltigkeit dar. Die große Mehrzahl (immensus numerus) trägt quer über den Scheitel einen handbreiten Kamm, welcher völlig einem massiven Heiligenscheine von Blech gleichend, von einem Ohr zum andern reicht und hinten in zwei (nach botanischem Auadrucke auriculirte) Lappen endet. Indeß nicht immer auf Schläfen und Scheitel gestellt, verläuft dieser Haarkamm häufig auch über die vordere oder hintere Schädelparthie von der Kronen- bis zur Lamda-Nath. Am seltsamsten nehmen sich aber solche Köpfe aus, die, nicht genug an einem Haarkamm habend, deren zahlreiche aufweisen, welche parallel zu einander in geringen Abständen lamellenartig quer über den Kopf verlaufen und in der Schläfen- oder Ohrgegend miteinander zusammentreffen. Sehr drollig erscheint eine dritte nicht seltene Form des Haarkamms, die man am passendsten mit dem Helme eines Perlhuhns vergleichen kann, von welchem sie offenbar eine Nachahmung zu sein scheint (wie jede Haarmode sich thierische Ideale zum Vorbilde zu nehmen pflegt). Am Hinterhaupte beginnend erhebt sich hier der fingerdicke Kamm zu einem Bogen, welcher über der Stirn seine größte Höhe erreicht. Seltener wird das Haar vermittelst Fett und Asche in zahllose pudelartige Troddeln getheilt und mit halb verbranntem Mist braunroth gefärbt. Auch ganz kurzhaarige, geschorene Köpfe, die angetroffen werden, dürfen hierbei nicht unerwähnt gelassen werden. War eine Krankheit, ein Mißglücken der Haarkünstelung oder vielleicht ein jäher Sturz und in Folge dessen ein Abbrechen des massiven Kamms die Ursache, ich weiß es nicht; genug, solche Köpfe schienen es zu fühlen, daß ihnen etwas mangele und zeigten sich selten anders als mit einer höchst drollig sich ausnehmenden, völlig einem Augenschirme gleich angebrachten Binde um die Stirn, bestehend aus einer Giraffenmähne, welche gestutzt wie die der Pony’s, fuchsrothe Färbung besitzt. Oft vertritt die letztere eine Binde von Mattenflechtwerk. Soviel von den Männern; was die Frauen anlangt, so kamen mir nur solche zu Gesicht, deren Haar kurz geschoren, wie das Fell neugeborner Lämmlein erschien. Sie

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_044.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)