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Blick wendet, überall hat er sich gegenüber die riesenhafte schwarzblaue Wand, deren Grenzlinie sich weit über die höchsten Gipfel der benachbarten Inseln erhebt. Die größeren und kleineren Inseln des canarischen Archipelagus übersieht man sämmtlich: im Westen Palma, Gomera und Hierro, im Osten Gran Canaria, Lanzerote und Fuerta Ventura. Selbst die kleinsten Eilande an der Nordspitze von Lanzerote sind erkennbar, Graziosa, Montaña Clara und Alegranza. Die hellvioletten Inseln schwimmen wie Traumbilder verloren in dem tiefblauen Weltmeere. Man versetzt sich unwillkührlich in die längst entschwundene Zeit zurück, in welcher alle diese Inseln als feurig-flüssige Lavamassen dem wild erregten Meeresschooße entstiegen. Wir glaubten beinahe mit dem Fernrohre auch die Küste des afrikanischen Festlandes an dem südöstlichen Meereshorizonte, hoch über Grand Canaria oder Fuerta Ventura erkennen zu können. So weit reicht aber der Gesichtskreis des Teydepiks nicht. Das Stück Erdoberfläche, welches man mit einem Blicke übersieht, beträgt 5700 Quadratmeilen, so viel als ein Viertheil der Oberfläche Spaniens.

Einen wunderbaren Anblick gewährt die Insel Teneriffa selbst, welche in ihrem ganzen Umfang nur ein kleines Piedestal für den gewaltigen Vulkan bildet. Man wird deutlich gewahr, daß die ganze Insel weiter nichts als der Fuß des Piks, und daß der Pik selbst der Central-Vulkan der ganzen Inselgruppe ist. Die übrigen canarischen Vulkane sind nur untergeordnete Seitenschornsteine für den ungeheuren Hochofen, dessen Hauptesse der Pik ist. Die ungemeine Klarheit und Durchsichtigkeit der Luft, welche man nur in den tropischen und subtropischen Gegenden so findet, erlaubte uns auch die fernsten Gegenstände auf der Insel mit der größten Deutlichkeit und Schärfe zu erkennen. Die dichten Wolken, welche noch am frühen Morgen einen großen Theil der Insel bedeckten und uns wegen der Rundsicht sehr besorgt gemacht hatten, waren im Laufe des Vormittags durch die Kraft des wärmenden Sonnenlichts völlig zerstreut worden. Rein und fleckenlos, wie das schwarzblaue Meer, strahlte auch der lichtblaue Himmel. Ueberall die klarste und kraftvollste Beleuchtung, wie wir sie nicht schöner treffen konnten. Der gezackte Küstensaum von Teneriffa ließ sich im Norden über Orotava und Garachico, und im Süden über Soccorso und Santa Cruz hin weit verfolgen. Im Osten dagegen wurde er durch die Höhen des Añaga-Gebirges verdeckt, im Westen durch die Chahorra, einen gewaltigen Krater, welcher sich unterhalb des Gipfelkraters im Südwesten, 3000 Fuß niedriger, erhebt.

Im Hafen von Orotava konnten wir die Schiffe und am Ufer die einzelnen Häuser erkennen, so klar und rein war die Luft. Höchst eigenthümlich war der merkwürdige Contrast, welchen der nackte und

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_026.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)