Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 022.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

riesiger Zuckerhut, von einem prachtvollen im Sonnenglanze schimmernden Schneemantel rings umhüllt. Der Name Piton oder Zuckerhut, mit welchem die Insulaner den Aschenkegel stets bezeichnen, war gerade jetzt in der That äußerst zutreffend. Jetzt war es nicht, wie im Sommer, die gelblich-weiße Bimssteindecke, sondern der über diese ausgebreitete blendend weiße Eismantel, welcher keine andere Vergleichung, als mit einem colossalen Zuckerhute zuließ.

Was schon der bloße Anblick des schimmernden Eiskegels zu sagen schien, das wurde durch die Worte unseres Führers, Don Emanuel, bestätigt. Er erklärte es für unmöglich, den Zuckerhut unter diesen Umständen zu ersteigen. Selbst in der günstigsten Jahreszeit gehört die Ersteigung des äußerst steilen und glattwandigen, größtentheils von lockerer Asche bedeckten Kegels zu den schwierigsten Bergpartien. Ich erinnerte mich, in Humboldt’s Reisebeschreibung gelesen zu haben, daß sie im Sommer überaus beschwerlich, im Winter ganz unmöglich sei, und daß Capitain Baudin, welcher 1797 dieselbe im Winter versuchte, bei einem Haare dabei das Leben verloren habe. Er rollte von der halben Höhe des Eiskegels bis zur Rambleta hinab und wurde nur durch einen tiefen Schneehaufen gerettet, der hinter einem mächtigen Lavablocke sich angesammelt hatte und ihn aufhielt.

Andererseits war aber der Gedanke, hier, so nahe dem ersehnten Ziele, auf dasselbe verzichten zu müssen, so niederschlagend, daß ich auf alle Fälle wenigstens einen Versuch zu machen beschloß. Mit vieler Mühe überredete ich Don Emanuel und Herrn Wildpret, mich zu begleiten. Wir rasteten einige Minuten an den sogenannten Nasenlöchern des Vulkans (Narices del pico), zwei mächtigen Felsspalten, aus denen heiße Dämpfe hervorquellen, und begannen dann den scheinbar unersteiglichen, spiegelglatten Zuckerhut mit Aufgebot aller Kräfte hinanzuklimmen.

Es zeigte sich bald, daß der Zuckerhut nicht so schlimm war, als er aussah. Der Schnee, der in den letzten Wochen wohl mehrere Fuß hoch hier gelegen haben mochte, war in Folge des anhaltenden heißen Südwindes zu einer firnartigen festen Masse zusammengeschmolzen, deren Oberfläche fest gefroren war. Sie bot Halt genug, um mit unseren eisenbeschlagenen Alpenschuhen festen Fuß zu fassen. Besonders wurde uns das Klettern an jenen Stellen erleichtert, an denen der geschmolzene Schnee unter der oberflächlichen Eiskruste weggeflossen war. Diese konnten wir durchbrechen und hatten dann in den Eislöchern festen Stand. Obgleich sehr mühselig und langsam, ging es so das unterste Drittheil des Piton doch ganz leidlich aufwärts. Nun folgte aber eine sehr schlimme Strecke, auf welcher, durch einen vorspringenden Lavarücken gegen die Sonne geschützt, eine ganz zusammenhängende

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_022.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)