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und die Spannung war daher nicht gering, in der ich im November 1866 dem langersehnten Reiseziele mich wirklich näherte. Diese Spannung war um so größer, als meine Absicht, Teneriffa zu besuchen, beinahe unmittelbar vor ihrer Erfüllung gescheitert wäre. Als ich nämlich, von London kommend, mit meinen drei Reisegefährten (einem Bonner Privatdocenten, Dr. G., und zwei Jenenser Studenten, Herren M. und F.) auf Madeira landete, erfuhren wir zu unserer großen Bestürzung, daß wahrscheinlich während des ganzen Winters sich keine Gelegenheit finden werde, um von Madeira nach den canarischen Inseln hinüberzufahren. Die einzigen Schiffe, welche einen regelmäßigen Verkehr zwischen diesen beiden Inselgruppen unterhalten, sind die englischen Westafrika-Dampfer, welche jeden Monat von London über Madeira und Teneriffa nach der west-afrikanischen Küste gehen. Wegen der Cholera-Epidemie in London und wegen des gelben Fiebers an der afrikanischen Küste war aber im Herbst 1866 diesen Dampfern schon seit mehreren Monaten jeder Personen-Verkehr mit Madeira und den Canaren von der Gesundheits-Behörde, die in den Häfen dieser Inseln sehr streng ist, untersagt.

Aus dieser Bedrängniß wurden wir ganz unerwartet durch ein preußisches Kriegsschiff, die „Niobe“, gerettet. Diese schöne Segelfregatte lag eben im Hafen von Funchal, als wir dort ankamen, und wollte schon in den nächsten Tagen ihre Uebungsfahrt nach Teneriffa weiter fortsetzen. Commandant derselben war Capitän Batsch, ein geborener Weimaraner und Enkel des Professor Batsch, welcher zu Göthe’s Zeit in Jena Botanik lehrte. Dieser ebenso ausgezeichnete als liebenswürdige See-Officier, welchem ich unsere bedrängte Lage schilderte, gewährte uns mit dankenswerthester Zuvorkommenheit die Erlaubniß, unsere Ueberfahrt nach Teneriffa auf der Niobe zu bewerkstelligen, und die übrigen Schiffs-Officiere, deren Gäste wir während dieser Zeit wahren, thaten Alles, um uns diese Ueberfahrt so angenehm als möglich zu machen.

Es war am frühen Morgen des 21. November, als wir in unsern Hängematten durch den Ruf geweckt wurden: „der Pik, der Pik!“ Schnell rieben wir den Schlaf aus unsern Augen und stürzten auf das Verdeck. Ja, da lag er wirklich und leibhaftig vor unsern Blicken, der ersehnte Berg. Klar und scharf zeichnete sich die regelmäßige Pyramide des mächtigen silbergrauen Gipfels auf dem dunkelblauen Himmelsgewölbe ab, und wie ein breites Piedestal, einer Mauerzinne ähnlich crenellirt, streckte sich weit nach Ost und West hin zu seinen Füßen die felsige Nordküste der Insel Teneriffa. Die Wolkendecke, welche am vorhergehenden Tage den Himmel verschleiert und den fernen Pik unsern Blicken entzogen hatte, war allenthalben durchbrochen

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_003.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)