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Vergessen dürfen wir bei allen diesen Fragen ja überhaupt nie, daß es nicht leicht ein Gewerbe, nicht leicht einen Beruf gibt, der nicht auch Gefahren für die Gesundheit in sich birgt. Der Kanzlist wird Haemorrhoidarier, der Schneider Phthysiker, der Schuster neigt zur Melancholie, der Lehrer leidet vom Schulstaub, der Arzt setzt sich allen möglichen Infektionen aus und hat unter den gelehrten Ständen die Aussicht auf die kürzeste Lebensdauer.

So nützt sich am Ende Jeder ab, der arbeitet: der Eine früher, Andere später und Der, welcher nicht arbeitet, wahrhaftig nicht zuletzt! Vor diesen nachtheiligen Einflüssen jeden Einzelnen so gut als möglich zu bewahren, dazu bietet sich kein anderes Mittel als Belehrung. Wo immer aber „eine größere Zahl von Arbeitern außerhalb ihrer Wohnungen in geschlossenen Räumen beschäftigt“ sind, da genügt die Belehrung nicht allein; denn der Einzelne ist hier nicht mehr im Stande, seine individuellen Bedürfnisse geltend zu machen. Da liegt es vielmehr in der Pflicht des Arbeitgebers, die Allen gemeinsamen Gefahren mit allen Hülfsmitteln der Technik zu bekämpfen, vor Allem aber auch die ihm gegen Lohnentschädigung geliehene Arbeitskraft nicht über Gebühr auszunutzen.

Ihn in Erfüllung dieser Pflicht an gewisse Normen zu binden – und dazu gehört eben der Normalarbeitstag! – das ist die Aufgabe des modernen, vor Allem aber des republikanischen Staatswesens, das nur Freigeborne und Gleichberechtigte kennt.

Und nun zum letzten Postulate: den Krankenkassen!

Empfohlene Zitierweise:
Carl Zehnder: Aerztliche Glossen zum Fabrikgesetz-Entwurf : mit Anhang. Cäsar, Zürich 1876, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZehnderAerztlicheGlossen.pdf/53&oldid=- (Version vom 1.8.2018)