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zu nennen! Für Schmeichelei ist es noch zu empfänglich: das ist seine Achillesferse! Sie ist auch die manches starken Geistes! Nur merkt es der Einzelne etwas rascher. Bis es ein ganzes Volk merkt, – zumal wenn es ein starkes Volk ist und Jeder seine eigene Meinung haben will – da können schon einige Lustren darüber hingehen!

Und wenn es die Art der Agitation, das Leidenschaftliche, das Gehässige derselben ist, was man fürchtet, wie anders können wir dem Hetzen der Agitatoren begegnen, wie anders die Saat zerstören, die sie gesäet haben, das Unkraut des Neides, der Begehrlichkeit, wie anders als indem wir dem verführten und verhetzten Arbeiter mit Humanität und Wohlwollen gegenübertreten: wie anders als indem wir ihm gern und freiwillig bieten, was er ein Recht zu fordern hat, weil er eben doch auch ein Mensch ist, ein freier Bürger wie wir, geboren mit denselben intellektuellen und körperlichen Anlagen, denselben Sinnen, denselben Trieben, demselben Durste nach Freiheit wie der in weichen Flaum gebettete Sprößling des Millionärs?

Was er aber vor Allem zu fordern berechtigt ist von denen, deren Schätze er äufnen hilft, das ist Schonung und Erhaltung seiner Gesundheit und seines Lebens, Schonung und Erhaltung seiner Arbeitskraft. Dieses Recht nun soll ihnen das Gesetz wahren und das ist die hohe soziale Bedeutung desselben, daß das ethische Prinzip, das allein die streitenden Interessen zu versöhnen vermag, in ihm bindende Normen erhält, die auch den Widerstrebenden zwingt, ihm zu huldigen.

Empfohlene Zitierweise:
Carl Zehnder: Aerztliche Glossen zum Fabrikgesetz-Entwurf : mit Anhang. Cäsar, Zürich 1876, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZehnderAerztlicheGlossen.pdf/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)