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das Recht, ihrem Haß und ihrem Abscheu vor dem Druck des Kapitals gerade bei uns, wo die Blüthe der Industrie, wo die Arbeit des Kapitals Lebensbedingung für Alle ist, in jenem Gesetze Ausdruck zu geben, als umgekehrt auch der Besitz sich nicht allzu sehr auf seine Macht steifen und sein alleiniges Interesse geltend machen darf.

Den Kampf zwischen den Interessen der Arbeiter und Arbeitgeber kann nur die Humanität schlichten; nur sie kann jene Interessen versöhnen und daß sie das vermag, daß es hiefür nur des gegenseitigen Wohlwollens bedarf, das beweisen jene Arbeiterkolonien in Mühlhausen, Guebwyler, in Lörrach, wo es uns selbst vergönnt war, einen Blick hinein zu werfen in das schöne Verhältniß zwischen Arbeiter und Arbeitgeber. Und ähnlichen Bestrebungen begegnen wir ja auch in unserm Vaterlande überall da, wo der Fabrikbesitzer neben der Pflege seiner Interessen sich auch der Sorge für das Gesundheitswohl seiner Arbeiter wie für ihre geistige und sittliche Hebung nicht entschlägt.

Und sollte, was im kleinen Kreise, was in einzelnen Etablissements möglich ist, nicht auch im Großen gerade bei uns noch viel eher möglich sein, als anderwärts, als in monarchischen Ländern? Bei uns, im Lande der Freiheit, wo der geringste Arbeiter dieselben politischen Rechte besitzt, unter dem Schutze derselben Gesetze steht, wie der Arbeitsherr; bei uns, wo sich das Volk das Gesetz selbst gibt und schon darum von einer Unterdrückung der Einen durch die Andern und nun gar von der Unterdrückung der besitzlosen Klassen durch die winzige Minorität der Besitzenden niemals die Rede sein kann? Sollte es nicht möglich sein, daß das freie Ländchen, das

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Carl Zehnder: Aerztliche Glossen zum Fabrikgesetz-Entwurf : mit Anhang. Cäsar, Zürich 1876, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZehnderAerztlicheGlossen.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)