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eine Erfahrung aus dem Hause Dollfus in Mühlhausen voraus[1] Da sind früher 36–38%, der von mehreren hundert Fabrikarbeiterinnen geborenen Kinder im ersten Lebensjahre gestorben. Als man dann den Arbeiterinnen 6 Wochen lang vor und nach ihrer Entbindung ihren Lohn auszahlte, ohne daß sie während dieser Zeit zu arbeiten brauchten, da starben nur noch 25% derselben.

Aehnliche Erfolge strebt wohl auch unser Entwurf an: nur fordert er bloß 10 statt 12 Wochen; nur sagt er uns nicht, woraus die Arbeiterinnen, denen die Wohlthat dieser Bestimmung zugedacht ist, dann auch leben sollen.

Das hat nun freilich seine triftigen Gründe. So weit sind wir zum Verdruß unserer sozialistischen Tonangeber noch nicht, daß der Staat den Fabrikbesitzern auch noch befehlen könnte, dasselbe Opfer zu bringen, das jener Menschenfreund Mühlhausen’s aus freien Stücken gebracht hat. Und weil man nichts von obligatorischen Fabrikarbeiterkassen wissen will, begibt man sich damit der einzigen Möglichkeit, zu diesem Zwecke allenfalls die Wohlthat jener Kassen in Anspruch zu nehmen. Doch wir wollen dieser Frage nicht vorgreifen!

Insofern also wären wir mit dem Entwurfe einverstanden, daß man es der Schwangern überlasse, sich die 10 – doch lieber 12! – Wochen, die sie von Gesetzeswegen zu Hause zubringen soll, selbst auszuwählen; allein im Interesse der Wöchnerin wie des neugebornen Kindes müssen wir wünschen, daß jene doch wenigstens unter keinen

  1. Neumann, die deutsche Fabrikgesetzgebung. Jena 1873.
Empfohlene Zitierweise:
Carl Zehnder: Aerztliche Glossen zum Fabrikgesetz-Entwurf : mit Anhang. Cäsar, Zürich 1876, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZehnderAerztlicheGlossen.pdf/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)