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vermag, und suche man diese Berechtigung nicht in einseitigem Partei- oder Privat-Interesse zu schmälern oder durch Sophismen aller Art hinwegzuklügeln.

Oder ist es nicht Sophismus, wenn man die Thunlichkeit des Erlasses eines besondern Fabrikgesetzes schon damit anzweifeln zu können glaubt, daß sich der Begriff der Fabrik nicht rund und nett bestimmen und begrenzen läßt?

Als jüngst der volkswirthschaftliche Kongreß in München tagte, zerbrach man sich den Kopf über eine präzise Definition des Wortes „Einkommen“ und mußte schließlich den Versuch aufgeben. Ist deßhalb Einer unter ihnen, der nicht im gegebenen Falle dennoch gar wohl zu sagen wüßte: das oder jenes ist Einkommen, das oder jenes nicht? Wird nicht trotz mangelnder Definition selbst der Ungebildetste im Volke diese Frage in weitaus den meisten Fällen von sich aus zu entscheiden im Stande sein?

Und ferner! In allen zivilisirten Ländern sind Ehen unter gewissen Verwandtschaftsgraden untersagt. Es sind die Ehen zwischen Blutsverwandten, die man theils aus religiösen, theils auch nur aus sanitarischen Gründen verhindern will. Allein wer gibt da die Definition, wer bestimmt die Grenzen dieser B1utsverwandtschaft? Sind wir nicht am Ende Alle blutsverwandt? Muß nicht auch da das Gesetz in’s Mittel treten und dieselbe mit einer gewissen Willkür näher umschreiben?

Nun das wäre für einmal nur Ein Sophismus.

Wir werden solchen noch öfter begegnen, wenn wir das Raisonnement der Gegner des Fabrikgesetzes und seiner Intentionen etwas näher in’s Auge fassen.

Empfohlene Zitierweise:
Carl Zehnder: Aerztliche Glossen zum Fabrikgesetz-Entwurf : mit Anhang. Cäsar, Zürich 1876, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZehnderAerztlicheGlossen.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)