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einen Stollen nebst einer Flasche Meißner als Extra-Gratification erhielten, dafür aber von sechs Uhr Früh bis sechs Uhr Abends unter strenger Clausur gehalten würden. Aber auch diese Misère durchbrach Gerstäcker mit zäher Arbeitskraft; er war unglaublich productiv und gelangte rasch zur Geltung. Im Jahre 1846 verheiratete er sich mit Fräulein Anna Sauer, früher Soubrette am Dresdener Theater, einer feinen, gebildeten und liebenswürdigen Frau, welche es verstand, dem Vielgewanderten ein trauliches Heim zu bereiten. Ich denke noch mit wehmüthigem Entzücken an die schönen Abende im Parterre-Locale der Salomonstraße zu Leipzig, welche ich mit dem prächtigen Paare beim Thee verbrachte, und der köstlichen Erzählungen des Freundes, die der mahnenden Uhr unbesiegbar Paroli bogen. Wir hatten im Winter 1848 49 besonders viel mit einander zu verkehren; außer dem Künstlerverein hatte Gerstäcker noch ein anderes Institut gegründet, welches nach vieler Richtung hin Furore machte, die Scharfschützen-Compagnie der Leipziger Nationalgarde. Sie bestand aus der Elite der Bevölkerung und hatte mit der Tradition des Uniformrockes und des Käppi gebrochen; wir trugen graue Blousen mit Ledergürtel und schwarze Calabreser mit Schildhahnbuschen; als Hauptmann war ein geachteter Kaufherr, Karl Uhde Bieber, erwählt worden, der unter zwölf Schüssen wenigstens dreimal „Nagel“ schoß.

Die ganze Organisation war Gerstäcker’s Werk gewesen, es lag ihm daher viel daran, sie vor seiner Abreise möglichst sicher zu stellen und ihr zuverlässige Freunde zu gewinnen. So ward ich denn sein Nachfolger in dem beneideten Range eines Zugführers. Als ein Jahr darauf die Reaction wiederum Oberwasser hatte, war es eine ihrer ersten Maßregeln, die staatsgefährlichen Calabreser und Blousen durch den conservativen Waffenrock mit Käppi zu ersetzen.

Gerstäcker hatte seine Weltreise angetreten mit einer Unterstützung der damaligen Reichsregierung, deren Haupt, der Reichsverweser Erzherzog Johann von Oesterreich, ihn persönlich beauftragt hatte, das Auswanderungswesen eingehend zu studiren. Außerdem hatte ihn die Cotta’sche Buchhandlung engagirt. Seine lebenswarmen Berichte in der „Allgemeinen Zeitung“ gaben Anlässe zu der bekannten, viel belachten Charge von Karl Reinhardt in den „Fliegenden Blättern“, die ihn porträtähnlich darstellt im gleichzeitigen Kampfe mit Indianer, Bison, Schlange, Krokodil und anderen Bestien, und der Unterschrift: „Hurrah, das giebt wieder einen prächtigen Artikel für die Augsburgerin!“[1] – Im Juni 1852 kehrte er zurück. Er hatte die südamerikanischen Pampas von Buenos-Ayres bis Mendoza durchritten, die Cordilleren mitten im Winter überklettert, in Californien Gold gegraben, Holz geschlagen und Bier gebraut, hatte in der Südsee auf Wale gekreuzt, den Haifisch in seinem eigenen Element bekämpft und vor der Königin Pomare Zither gespielt; von Sidney aus war er, der erste europäische Pfadfinder, durch das Murray-Thal ganz allein nach Adelaide gewandert und zuletzt in Java fast festgehalten worden von den


  1. Friedrich Gerstäcker auf der Reise. „Hurrah! das gibt wieder einen prächtigen Artikel für die Allgemeine Zeitung!“ Fliegende Blätter, Band 15, 1852, Nr. 350, S. 32 UB Heidelberg
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Wilhelm von Hamm: Fritz Gerstäcker. A. Hartleben, Wien 1881, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_von_Hamm-Fritz_Gerst%C3%A4cker-1881.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)