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Im Jahre 1847 habe ich Fritz Gerstäcker zum erstenmale gesehen in Leipzig. Es hatte sich damals, hauptsächlich auf Arnold Ruge’s Anregung, ein Künstlerverein gebildet, welcher zum Mittelpunkte des geistigen Verkehres der Stadt werden sollte, aber schon nach dem ersten Halbjahre wieder einschlief, zugrunde gerichtet durch langstielige Vorlesungen und Mangel an verständiger Leitung. Gerstäcker hatte demselben angehört, und wir lernten uns bei den Zusammenkünften im „Hôtel de Pologne“ kennen. Er war es, der im Herbste des Jahres den Künstlerverein auf einer neuen Basis wieder in’s Leben rief und recht eigentlich dessen Seele ward. Bei der Einladung zur Theilnahme war wählerisch zu Werke gegangen worden, und so fand sich denn auch in dem neuen Local der Börsenhalle bald wöchentlich eine Gesellschaft zusammen, deren Elemente trefflich aufeinander paßten, so daß sich die Vereinsabende recht hübsch gestalteten. Außer ihm fanden sich ein die Schriftsteller Gustav Kühne, Wilhelm Wolfsohn, Julian Schmidt, Gustav Freytag, Wilhelm Gerhardt, Aurelio Buddeus, Ernst Willkomm, Adolf Wilda, Robert Gisecke, Ferdinand Mikowetz und Andere; die Maler Richter, Merkel, Georgi, Schlick; die Architekten und Bildhauer Ungewitter, Rohde, Purfürst, Knaur; die Musiker und Componisten Lortzing, Netzer, Böhme, Wasilewsky, Riccius, Reimers, Meinhardus, Leonhardt; die Bühnenkünstler Wohlbrück, Richter, Keller, Behr, Henry, Salomon, Widemann, Meixner und Andere. Die Architekten und Bildhauer hatten dem Vereine einen classisch modellirten Humpen gestiftet, welcher fleißig die Runde machte, es wurden Bilder ausgestellt, Poesien vorgetragen, Musik gemacht – Gerstäcker erzählte wunderbare Reise-Abenteuer, welche er stets mit der Einbegleitung versah: „Meine Herren, jeder Reisende lügt, auch Alexander Humboldt war nicht frei von diesem Fehler, ich aber bin es!“ und rief damit wahre Lachkrämpfe hervor – kurz, es war ein höchst heiteres, ungezwungenes Zusammensein, das auch nicht der ernsthaften Anregung entbehrte. Alle Strahlen des Vereines in einen Brennpunkt sammelte der glänzende Festball, den er in den ersten Tagen des Jahres 1849 veranstaltete, zu welchem eine Einladungskarte erhalten zu haben, für ein wahres Glück galt. Nicht allzu oft dürfte ein an den verschiedensten Genüssen so reiches Programm sich abspielen, wie das dieser unvergeßlichen Nacht. Eine Scene daraus steht mir vor Allem noch im Gedächtnisse. Gustav Kühne hatte ein höchst elegantes, distinguirtes Wachsfiguren-Cabinet gezeigt und geistreich erklärt; der Vorhang war gefallen, noch rauschte der Applaus, da sprang ein neuer Erklärer auf das Podium. Es war Gerstäcker im polnischen Schnürrock, abenteuerlichst aufgeputzt. „Hoher Adel und verehrungswürdiges Publikum!“ rief er im Marktschreierton, „das Ihnen vorgeführte Wachsfiguren-Cabinet war gar nicht das echte, dessen Besitzer bin ich, schauen Sie her!“ Und sogleich hob sich wieder die Courtine – da stand eine neue Sammlung von Wachsfiguren, lauter Caricaturen, in der tollsten Weise ausstaffirt, aber meisterhaft gestellt. Niemand im Saale, außer den Mitwirkenden, die das Geheimniß fest bewahrten, hatte eine Ahnung von dem Einschiebsel

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Wilhelm von Hamm: Fritz Gerstäcker. A. Hartleben, Wien 1881, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_von_Hamm-Fritz_Gerst%C3%A4cker-1881.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)