Wilhelm Spitta: Grammatik des arabischen Vulgärdialectes von Aegypten | |
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XII | Vorwort. |
der Formenlehre und besonders der Syntax zu liefern. Zugleich
aber sollen sie ein zusammenhängenderes Bild der Ausdrucksweise
liefern, als es durch abgerissene Sätze möglich ist, und
dem Lernenden Gelegenheit bieten seine Kenntnisse zu üben.
Die Erzählungen, deren ich 11 gegeben habe, mit einer vollständigen
Uebersetzung zu versehen, hielt ich nicht für nöthig,
da die aus ihnen genommenen zahlreichen Beispiele in der
Grammatik stets ins deutsche übertragen sind. Kenner orientalischer
Märchen werden in ihnen manchen alten Bekannten
wiederfinden, der sich in freier mündlicher Ueberlieferung
mannigfach verändert, aber doch noch erkenntlich, bis auf den
heutigen Tag erhalten hat. So findet sich der Kern der zweiten
Erzählung bei F. Baethgen, Sindbân oder die sieben weisen
Meister (Leipzig 1878) S. 27, der des fünften Märchens von
den beiden Räubern in den Qyrq wezyr (ed. Belletête) S.
198 wieder. Sollte der Wunsch oder das Bedürfnis nach mehr
sich herausstellen, so bin ich gerne bereit aus meinen Sammlungen
noch eine zweite Reihe direct aus dem Volksmunde
gesammelter Erzählungen herauszugeben. Die Aegypter sind
hierin, wie alle Orientalen, unerschöpflich und erzählen gern,
lebhaft und witzig. Uebrigens bemerke ich noch, dass mir die
erste Schnurre von dem kairiner Buchhändler Muḥammed
Sukkar mitgetheilt ist, die übrigen sind mir von einem kleinen
Kaufmann aus der Salybe, dem Ḥagge̊ Muḥammed, so langsam
vorerzählt, dass ich bequem nachschreiben konnte. Sie mögen
die Verantwortung für den Inhalt tragen: الاعتماد على
الراوى. – Die Mawâwyl habe ich nur als Specimen neuägyptischer
Dichtkunst gegeben: als Sprachproben sind sie nicht unbedingt
zuverlässig, da hin und wieder auch alte Formen Aufnahme finden.
Ueber ihren dichterischen Werth kann man streiten; das ewige
Liebesgeflenne ist für uns langweilig, so unverwüstlich sein
Reiz auf ein arabisches Herz auch sein mag. Immerhin aber
finde ich es natürlicher, seinen Gefühlen ungezwungen freien
Lauf zu lassen, als sich wohl oder übel auf das Kameel der
alten Wüstendichter aufschwingen zu wollen, um die Spuren
der Lagerstätte einer gar nicht vorhandenen Geliebten aufzusuchen.
Leider krankt fast die ganze ältere arabische Poesie an
dieser Künstlichkeit, während man gerade in den neuarabischen
Wilhelm Spitta: Grammatik des arabischen Vulgärdialectes von Aegypten. J. C. Hinrichs, Leipzig 1880, Seite XII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_Spitta_-_Grammatik_des_arabischen_Vulg%C3%A4rdialectes_von_Aegypten_(IA_grammatikdesara00spitgoog).pdf/24&oldid=- (Version vom 4.6.2022)