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Wilhelm Spitta: Grammatik des arabischen Vulgärdialectes von Aegypten

VI Vorwort.


Leute fortwährend. Wie könnte es auch anders sein! Eine litteraturlose Sprache ist ein halbgeronnener Körper, der aus einiger Entfernung betrachtet, ein festes Object darzubieten scheint, unter der zugreifenden Hand sich aber seiner flüssigen Natur wieder bewusst wird und nach allen Seiten zu entschlüpfen versucht. Diese scheinbar unbegrenzte Freiheit fühlen die Araber selbst beim Sprechen und ergehen sich mit Behagen darin; „unsere Sprache“, sagen sie, „beruht nicht auf Regeln, sondern ist bil’igtihâd d. h. je nachdem sich jemand mehr oder weniger Mühe giebt, spricht er so oder so“. Eine Bevorzugung der einen Form vor der andern, als der richtigen vor der falschen, wollen sie theoretisch nicht anerkennen, obwohl sie practisch einen sehr deutlichen Unterschied machen und sich oft genug über schlecht sprechende Kopten oder Europäer aufhalten. Daher kommt es auch, dass man durch directes Fragen nach sprachlichen Erscheinungen bei Arabern niemals ein genügendes Resultat erzielt. Denn entweder fragt man einen ganz oder halb Gebildeten, der altarabisch versteht, und dieser antwortet dann mit der klassischen Sprachform, die man ebenso gut kennt wie er; oder man wendet sich an einen Mann aus dem Volke, der gar nicht begreift, um was es sich handelt und im besten Falle antwortet: kulloh zê ba‘ḍoh „das ist alles einerlei“. Will man endlich eine vulgärarabische Antwort erzwingen und setzt seine Absicht länger auseinander, so verliert der Gefragte, falls er uns überhaupt begreift, seine sprachliche Unbefangenheit und antwortet mit Formen, von denen man nachher doch nicht weiss, ob sie wirklich volksthümlich sind oder nicht.

Diese Schwierigkeiten werden uns nicht erleichtert durch die Arbeiten, welche, halb wissenschaftlicher, halb practischer Art, auf diesem Felde erschienen sind. Man wird nicht von mir verlangen, dass ich alle Guides, Manuels oder alle Zeitschriftenartikel, in denen etwas über den ägyptischen Vulgärdialect gesagt wird, hier citieren oder überhaupt kennen soll. Was hiervon wirklich wissenschaftlichen Werth hat, wie die Arbeiten Lane’s und Wallin’s, ist an den betreffenden Stellen gewissenhaft angeführt; auch will ich nicht in Abrede stellen, dass hie und da etwas Werthvolles unabsichtlich von mir übersehen sein mag. Allein im allgemeinen ist wenig aus ihnen zu lernen. Sie leiden alle — neben der Ungründlichkeit

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Spitta: Grammatik des arabischen Vulgärdialectes von Aegypten. J. C. Hinrichs, Leipzig 1880, Seite VI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_Spitta_-_Grammatik_des_arabischen_Vulg%C3%A4rdialectes_von_Aegypten_(IA_grammatikdesara00spitgoog).pdf/18&oldid=- (Version vom 4.6.2022)