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der Gnade bleibe. „Du blickst mich so freundlich an, mein Heiland, und ich bin eine Eisspitze, die nicht erwärmt wird“, sagt er einmal. Begreiflich ist auch, daß bei einer so hoch begabten und zur Führerschaft berufenen Natur Anfechtungen des Hochmuths nicht fehlten. So schreibt er, um eine Stelle aus unzähligen auszuwählen, einmal in sein Tagebuch: „Befleißige Dich den Willen eines Andern mehr denn den Deinen zu thun; erwähle allezeit eher den wenigsten denn den meisten oder größten Theil zu haben; suche allewege die unterste Stelle und Jedermann unterthänig zu sein; wünsche allezeit und bitte, daß der Wille Gottes vollkommen an Dir vollbracht werde: siehe ein solcher Mensch geht in die Grenze des Friedens und der Ruhe. Thom. a Kempis III, 25.[1]

 „Ach das ist ein Rath für Dich, mein stolzes Herz, ein Rath zur Demuth. Dein Wille geschehe, nicht der meine, o lieber HErr! Ach mein armes Herz, du bist noch ferne von der Grenze des Friedens und der Ruhe! Ach nicht nur in dieser Hinsicht, allewege wo mein Stolz und Eigenwille will Recht behalten, laß mich, o lieber Vater, in Deinem Willen ruhn.“

 Ein ander Mal preist er das Glück und die Schönheit der Demuth. „Die Demuth“, sagt er, „hat einen Reiz, daß sie den HErrn vom Himmel zwingt, der sie bewahrt, daß sie im Alter nicht runzlig vor Hochmnth werde.“

 Auch Löhe also hatte ernst mit sich zu kämpfen, aber mit welchem Ernst der Buße und welcher Tiefe der Sündenerkenntniß saß er dann auch wieder über sich selbst zu Gericht[.] Das Wort des Apostels: „Ich elender Mensch, wer wird mich


  1. Das Büchlein des Thomas a Kempis von der Nachfolge Jesu las Löhe in seinem ersten Studentenjahr zu seinem großen Segen. Er pflegte oft zu sagen: „Da ich ein Christ werden sollte, gab mir Gott den Thomas a Kempis, und da ich ein Lutheraner werden sollte, den Hollaz in die Hand.“