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Erlöser als das Lamm bezeichnet, ist kein Zeichen Herrenhutischen Einflusses an ihm zu bemerken. Vor den Süßlichkeiten Herrenhutischen Wesens bewahrte ihn seine gut lutherische Richtung und sein gesunder geistlicher Geschmack. Einen Freund, der Neigung zu derlei geistlichen Sentimentalitäten hatte, warnte er mit folgenden Worten: „Warum nehmen wir nicht aus der großen Anzahl trefflicher alter Lieder, wenn wir etwas wollen? Süßlichkeiten kann man bei so herrlichem Vorrath nicht brauchen: Tac. Dial. c. 26. Si omisso optimo illo et perfectissimo genere eloquentiae eligenda sit forma dicendi, malim hercule C. Gracchi impetum aut L. Crassi maturitatem quam calamistros Maecenatis aut tinnitus Gallionis.[1] Du wirst auch in der Bibel dergleichen nicht finden, halte Dich in allen Stücken an die Bibel, auch in der Sprache leitet sie recht.“ Ein andermal schreibt er: „Der Glaube und die Liebe zu Ihm kann nicht immer mit Süßigkeiten verbunden sein; es giebt einen Glauben, der darbet an allem süßem Gefühl und überwindet doch die Welt, und eine Liebe, die entblößt ist von Liebesdrang und ist doch stärker denn der Tod.“

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 Bei diesem innern Standpunkt läßt es sich denken, mit welcher Freude Löhe das Wachsen des Reiches Gottes und das Erwachen eines neuen Glaubenslebens in jenen Tagen sah. „Ich kann“, schrieb er im Juli 1827 dem ehrwürdigen Brandt, damals Pfarrer in Roth, „meine Freude darüber, daß auch in meinem Vaterlande der Eifer für’s Evangelium wieder lebendig wird, so wenig bergen, daß ich, obwohl Ihnen, Hochehrwürdiger Herr,


  1. Zu deutsch: Soll man mit Absehen von jener besten und vollkommensten Form der Rede eine andere Diction sich erwählen, so wünschte ich wahrhaftig lieber die stürmische Beredsamkeit des C. Gracchus oder den reifen Ernst des L. Crassus als die affectierte Art des Maecenas oder das Phrasengeklingel der Gallio.