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Deinen, welche gut und gescheidt, aber bei weitem (Th. ausgenommen, die gescheidter als die andern und als ich dachte, ist) nicht so gescheidt sind, als ich glaubte. Der Sonntag gehört Gott und meiner Seele; um 6 Uhr Abends bin ich schon wieder in Erlangen über meiner Bibel und neuem Testamente.

 „Da hast Du meine ganze Lebensordnung, und merkst Du denn nicht, wie ich Dich liebe, daß ich so lange mich von meiner lieben Ordnung trennte, um Dir zu schreiben?“

 Wie schon aus dem eben Gesagten ersichtlich, war Löhe’s Leben ein sehr zurückgezogenes, von dem anderer Studenten weit verschiedenes. Von der überschäumenden Jugendlust und ausgelassenen Heiterkeit des studentischen Lebens fand sich bei ihm keine Spur. Die Richtung seines Geistes war hiefür zu männlich und zu ernst.[1] Wider seine Neigung, aber aus Gehorsam gegen den Rath seines verehrten Lehrers Roth, schloß er sich der damals in Erlangen blühenden Burschenschaft an[.]


  1. „Quibus rebus“, schrieb in einem Brief vom 1. April 1827 Rector Roth an L., „alatur animus ac firmetur, etiam puer admodum invenisti et ante togam mentem virilem induisti. Tales hoc tempus juvenes desiderat, talibus viris res publica gaudebit. Nec mediocre mihi solatium tuae literae attulerunt. Non enim poenitebit, odio multis esse, si bonis et paucis probabor, nec desertus esse mihi videbor, si vel unus se meo exemplo recte vixisse profitebitur. Vale meque ama.“
     Zu deutsch: Schon in frühem Knabenalter haben Sie erkannt, was die Nahrung und Stärkung des Geistes ist, und noch im Knabenkleid bereits Mannessinn angezogen. Solche Jünglinge braucht man in unserer Zeit, an solchen Männern wird das Vaterland Freude erleben. Ihr Brief hat mir nicht geringen Trost bereitet. Ich kann es verschmerzen, Vielen ein Gegenstand des Hasses zu sein, wenn ich den Beifall der wenigen Guten finde, und ich werde mir nicht einsam vorkommen, wenn auch nur einer bekennt, durch mein Beispiel den rechten Lebensweg gefunden zu haben. Leben Sie wohl und behalten Sie mich lieb.“