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lag, man gab sich ihm deshalb gerne hin und scheute sich doch auch wieder vor ihm. So streng er war, so vertrug er dennoch gerne bescheidenen Widerspruch und scheute sich keineswegs, in Fällen vom Katheder zu steigen, seinen Schülern die Hand zu bieten, sie um Verzeihung zu bitten. – Gerade dadurch stieg er in der Meinung seiner Schüler desto höher, man merkte, daß Strenge bei ihm Grundsatz war, daß das Herz mild und gütig gesinnt war. In der Lycealclasse, wo wir seinen eigentlichen Claßunterricht genossen, machte er selbst alle schriftlichen Aufgaben mit; wie wir die unsern vorlasen, las er sie auch vor; an seinem Muster konnten wir uns dann messen, seine Ueberlegenheit drückte uns nicht, denn er war Rector, wohl aber fesselte sie uns an ihn und reizte uns zum Eifer. Ich hatte das Glück, ihn lange zum rector und moderator meiner Studien zu haben. Er kam 1821 im Herbst nach Nürnberg, da ich im Sommer eingetreten war. Seine erste Arbeit war, den Augiasstall der Nürnberger Schule an Lehrern und Schülern zu säubern. Ich zitterte vor ihm, da ich ohnehin ein sehr zitteriger und schüchterner Knabe war. Er hatte mich jedoch schnell bemerkt und sein theilnehmendes Auge begleitete mich auf meinen ganzen Gang. Da ich die Nächte zum Privatstudium schon in meinem vierzehnten Jahre anwendete, warnte er mich. Wenn ich Krankheit zurückhielt und verleugnete, schalt er mich. Wenn mir seine Hand zu schwer ward, tröstete er mich. In meiner angeborenen Fahrlässigkeit schonte und stachelte er mich zugleich. Sein Beispiel galt mir in allem, sonderlich aber jauchzte ich innerlich, als ich seine Freude an der Religion sah. Bald nach seinem Eintritt ins Rectorat fieng die Zeit seiner eigenen entschiedenen Religiosität an. Er sprach sich gelegentlich aus. Ich horchte. Wenn er eine Zeitschrift, ein Buch empfahl, das wurde im Vertrauen auf Güte der Mutter gleich auf dem Heimweg im Buchladen