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 Am Freitag nahmen die Pfarrer in ihren Lehrstunden Abschied, die Schüler überreichten schriftliche Danksagungen oder Abbitten. Zu spät wurde ich daran gemahnt. Am frühen Freitagsmorgen schrieb ich unter Beihilfe meiner Schwester Dorothea drei Abbitten, steckte sie dann schnell, damit die Pfarrer sie nicht zur Unzeit sähen, unter die Weste und eilte in die Lehrstunde. Es war heiß im Saale. Als der alte Dr. Fronmüller schloß und nun die Kinder zu ihm giengen, zog ich auch meine „Abbitte“ hervor, und siehe, sie war feucht von meiner feuchten Brust. Doch gab ich sie ihm, und es war die einzige, welche er für werth hielt, sie aufzuheben. Er segnete mich und ermahnte mich, meinem Vater, seinem Freunde, an dessen Sterbebette er so sehnlich gebetet hatte, nachzufolgen. Der Abschied des ersten Diakons drosch die Thränendrüsen der Kinder, er selbst weinte, alles weinte. Ich hatte meinem Nachbar zugeflüstert, wir wollten nicht weinen. Lange hielt er sich. Auf einmal fühlte ich seinen Ellenbogen in meiner Seite und mit dem lauten Ausruf: „Du weinst gar nicht!“ fieng er an, in Thränen auszubrechen. Ich aber ließ mich nicht anstecken, denn es steckt an, das ist gewiß. Der zweite Diakon gefiel mir in seiner Schlichtheit weit besser.

 Als ich heim kam, war ein Verwandter von väterlicher Seite da, der auf Bitten meiner Mutter es unternommen hatte, mir im Namen meines seligen Vaters eine ernste Mahnung an diese „Hochzeit“ meines Lebens zu sprechen. Am Nachmittage bat ich meinen Lehrer, Subrector Küchle, um Verzeihung, und er verzieh mir wie ein Vater.

 Am Sonnabend Morgen, einem etwas regnichten, aber dennoch warmen, schönen Frühlingstage voll Blüthen und Blumen, kam meine Mutter auf meine Stube und brachte mir einen herrlichen Brief, den sie mir geschrieben hatte, um ihren