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gemahnt wurde, stand sie auf, führte den Bräutigam zu ihrem Saitenspiel, rührte es und sang mit heller Stimme: „Seelenbräutigam, Jesu Gottes Lamm“. Helene war allezeit still, des Bräutigams und seines Umgangs nicht bedürftig, ihn nicht suchend, sich bei gemeinsamen Gängen oftmals der Unterhaltung mit ihm entziehend, auffallend bis zur Besorgnis der Aeltern still. Und doch zeigte sichs dann wieder zuweilen ganz einfach und unwiderleglich, daß sie ihres Weges ganz gewiß und in ihrem Stande seelenvergnügt war. Sie war schon damals die entschiedene Christin, die ohne Nachdenken, durch das Licht ihrer großen Einfalt gefunden hatte, daß einer verlobten Braut und ihrem Bräutigam mehr die ehrerbietige Ferne gezieme als die annahende Liebe. „Als ich nach achttägigem Aufenthalt weggieng, um in meine Heimath zurückzufahren, saß sie mit ihrer Arbeit freundlich im Garten. Als ich sie fragte:, Gehst Du mit mir bis zur Post, Helene?‘ stand sie auf, reichte mir freundlich die Hand und sagte: ,Nein, wenn Du wieder kommst, geh’ ich ganz mit Dir.‘ Die Braut war in meinen Augen hoch gestiegen.“

 Nur ein Vierteljahr währte Löhe’s Brautstand, eine kurze, für ihn aber heilige Zeit, die ihm nach mehr als dreißig Jahren in der Erinnerung duftete und blühte. Löhe hat in dem kleinen Denkmal, das er seiner entschlafenen Lebensgefährtin geweiht hat (in der zweiten Ausgabe), einen Auszug aus dem Briefwechsel, den seine Verlobte während der Brautzeit mit ihm unterhielt, gegeben, auf den wir hier verweisen.

 Am 25. Juli 1837, an demselben Tage, an welchem er sechs Jahre vorher die heilige Ordination empfangen hatte, wurde er zu Frankfurt a. M. in der St. Katharinenkirche getraut. Am 1. August zog er in Neuendettelsau ein und am nächsten Sonntag hielt er seine Antrittspredigt, von der wir, des an sie sich knüpfenden Interesses wegen, einen gedrängten Auszug mittheilen.