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Vater sterbe, verbarg mich furchtsam unter meine Decke und betete nun nicht mehr.

 Am Todestag meines Vaters, einem Montag, war ich in der Schule. Die alte Magd Susanna holte mich. Als ich in die Stube kam, lagen die Meinigen auf den Knieen und beteten für den Hartkämpfenden um Auflösung. Meine beiden mittleren Schwestern standen, in Jammer vergehend, zu Häupten und Füßen des Sterbebettes, meine älteste, kranke Schwester Anna saß am Ofen, hatte keine Thränen, aber tiefes Schluchzen. Als ich in die Stube trat, nahm mich meine vom Gebet aufstehende Mutter an der Hand, führte mich zu dem röchelnden Vater, legte meine Hand in seine und ließ mich versprechen, was alles, weiß ich nicht mehr, aber das war dabei: „daß ich dem theuern Vater im Grabe keine Schande machen möchte.“ Kaum hatte ich mein Versprechen gethan, da stand meines Vaters Odem still und ich war eine Waise.

 Alles war in Trauer. Ich gab mit meinem öden Wesen meiner Schwester solches Aergernis, daß sie mich als ein theilnahmloses Kind schlug. Am Tage der Leiche war die ganze Stadt erregt. Am Morgen war ganz in der Nähe eine Leiche, und meine Mutter sagte: „Geh hin, sieh zu, damit Du weißt, wie es ist.“ Ich gieng, aber es gefiel mir ganz gut. Zwar als der Vater im weißen Todtenhemd, ernsten Antlitzes, halbgeschornen Hauptes (es war der Ueberschläge wegen geschehen) im Bette lag, die Mutter ihre Kinder zusammenrief und nach der Gabe, die sie in solchen Fällen hatte, ernste vermahnende Worte sprach, war mir auch ernst zu Muthe, aber es gieng vorüber. Die Leichengäste füllten das Haus. Ich sollte mit zwei Vettern die Leiche begleiten und einen Kranz tragen, und war deshalb, so klein ich war, in schwarzen Frack und kurze Hosen sammt langen Strümpfen gekleidet. So stand ich an der