Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 1 (2. Auflage).pdf/279

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Bertholdsdorf, den 3. October 1836. 

 „In meinem Amte geht es mir, wie durch Gottes unverdiente und unaussprechliche Gnade bisher immer, ich darf Segen schauen – und Kreuz tragen, mein Herz jauchzet und blutet, ich werde erhöhet und erniedrigt. Es fehlt auch nicht an ernsten Pastoralfällen, durch welche man zum Pastorale, zur heiligen Schrift, zum Gebet getrieben wird, wenn gerade oft der Muth, die Kraft lahm werden will. Den vorletzten Fall möchte ich Dir weitläufig zu erzählen Zeit haben; aber es geht nicht – einmal vielleicht alles mündlich. Summatim ist es dieser. Vorigen Freitag brachte mir ein Aelternpaar aus der Gegend von Ellingen tiefbetrübt seinen Sohn, der von etwa zwölf katholischen Geistlichen, etwa zehn Aerzten und anderen, ,die etwas können‘ ohne bleibende Frucht behandelt worden ist, von welchen die meisten eingestanden haben, daß er besessen sei. Ich habe den Lebenslauf des jungen Mannes von fünfundzwanzig Jahren untersucht und genau aufgezeichnet – und wirklich, was alles die Weisheit alter Pastoren als Zeichen der Besessenheit aufgestellt hat, findet sich bei ihm. In der neuen Zeit ist das Unglück noch größer worden, indem zur leiblichen Besessenheit die geistliche kam – und vor der Besessenheit ungeheuren Hochmuths die leichter durch die Macht und das Wort des Herrn zu hebenden Ausbrüche der obsessio corporalis[1] zurückgetreten sind. Am Freitag konnte mich der Kranke nicht ansehen, oder er sah mich mit satanischem Grinsen an, redete von mir abgewendet, war grob und brutal, erzählte mir von Miethlingen und Judas; am Sonnabend wendete sichs – und sein Herz thaute auf, und Gottes Wort bekam Macht; ich konnte ihn leichter erkennen – und er gieng zur Freude der


  1. leibliche Besessenheit.