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 Das Thal, in dem Bertholdsdorf liegt, ist lieblich und kann ein Auge, das für eine anspruchslose landschaftliche Schönheit empfänglich ist, befriedigen und erquicken.

 Löhe wenigstens, obwohl aus der viel anmuthigeren Umgebung Altdorfs angekommen, wußte an seinem neuen Aufenthaltsort so viel Schönheit zu entdecken, daß er sich in dieser Hinsicht vollkommen zufrieden gestellt fand. Er äußert sich hierüber in einem Brief an seine Schwester, Frau Dorothea Schröder, den wir, weil er auch Einsicht in Löhe’s tägliches Leben und seine berufliche Thätigkeit in Bertholdsdorf gestattet, hier folgen lassen.


Bertholdsdorf, den 12. Juli 1836. 

 „Liebe Schwester!

 „Das Schönste in meinem jetzigen Leben ist mein Wohnort, oder vielmehr die Lage desselben. Im Aurachthal erhebt sich ein niedriger Hügelzug, welcher das ohnehin kleine enge Thal in zwei noch engere Thäler scheidet. Wo sich der Hügelzug erhebt, erhebt sich auch um dessen ,Vorgebirge‘ (so zu reden) Bertholdsdorf. Wenn man sanft angestiegen ist auf der Dorfgasse, kommt man über etwa zwölf bis fünfzehn Staffeln auf den Gottesacker, auf dem das Kirchlein liegt. Das Kirchlein ist heimlich und nett. Vom Kirchhof führt ein gepflasterter Weg vor dem Schulhaus vorüber in den ummauerten schönen Pfarrhof, in welchem das Pfarrhaus wie ein schönes Schlößlein mit seinen zwei Gärtchen liegt. Im einen Gärtchen blühen viel hundert Rosen und schöner als diese, weiße, glänzende Lilien die Menge – und diese Lilien sind des Verwesers Freude. Im Pfarrhof ist auch noch ein und das andere Oeconomiegebäude für Pfarrer, die ihre Frucht- und Blutzehnten selbst einheimsen wollen. Durch ein Thörlein kann der Verweser ein Heckengäßchen hinab in beide Thäler und auf die höheren Theile