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 Wie aus dem oben mitgetheilten Brief an Frau L. Andreae ersichtlich ist, war es Löhe’s Hoffnung und Wunsch, unter den Jünglingen, die im Altdorfer Seminar für den Lehrerberuf vorgebildet wurden, Seelen für den Herrn zu werben. Dieser Wunsch wurde ihm auch erfüllt. Er wurde von den Seminaristen viel besucht; in Haufen bis zu zwölf kamen sie zu ihm, er widmete ihnen gerne seine freie Zeit und hatte die Freude zu erleben, daß bei mehr als einem der jungen Leute aus dem ersten Anschluß ein dauerndes Verhältnis sich entwickelte. „Wir waren“, schreibt einer von den damaligen Seminaristen, der Löhe bis zu dessen Tode treue Freundschaft hielt, „von 120 Seminaristen etwa ein Dutzend, denen Löhe ein Führer, ein geistlicher Vater wurde. Wir fühlten uns sofort angezogen von ihm und mit Bewunderung gegen ihn erfüllt und wünschten nichts mehr, als ihm persönlich näher treten zu können. Wir erhielten die Erlaubnis, wöchentlich ein bis zwei Mal in den Freistunden ihn zu besuchen. Die Einfachheit der Einrichtung, aber die allenthalben hervortretende Ordnung und Reinlichkeit fiel uns auf und erregte unsere Bewunderung ebenso sehr als die männliche Bedienung, die Löhe hatte. Bei jedem Besuch trat uns sein tiefer Ernst wie sein freundlich väterliches Entgegenkommen an die Seele; es waren Stunden gesegneter Gemeinschaft, ein fördernder Aufenthalt für Erkenntnis und Glauben ohne pietistisches Drängen. Seine Gespräche waren für uns junge Leute aufs Praktische gerichtet, er sprach mit uns über den Hang und das Streben junger Leute nach Freiheit und Ungebundenheit, statt sich in von Gott geordnete Verhältnisse willig zu fügen; über das sechste Gebot, sodann über die Angriffe, welche damals die Organe des Zeitgeistes gegen das Christenthum machten; auch über die in der schönen Literatur jener Tage proclamierte Emancipation des Fleisches und anderes