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 Mein Vater war mir die erste Person in der Welt, dann kam meine Mutter, dann meine Schwester Anna, die kranke, vor deren Kraft ich dennoch großen Respect hatte. Ich drohte manchmal den Knaben mit ihr, wenn sie mich nicht wollten gewähren lassen. – Was war es mir Großes, wenn die Grenadiere der Stadt sich vor dem Hause versammelten und mein Vater als Hauptmann unter die Hausthüre trat, den Säbel zog und mit seiner Löwenstimme commandierte! Welch ein Commando, wenn der Vater mit dem Finger winkte! Welch eine Strafe, wenn er die weiße Mütze vom Haupte zog und mir – ach wie selten! – einen Schlag auf den Rücken gab! Wie konnte ich das aushalten, das große Weh! Und welche Lust, wenn er unter der Firma, etwas für ihn schreiben zu dürfen, mich examinierte! Oder wenn ichs erlauschte, was er verbarg, daß er meinen Fortschritt vor der Mutter lobte! Wenn ich merkte, daß er die Mängel tadelte und doch zufrieden war mit dem, was da war! – Und als einmal meine Anna in ihren Leiden auf dem Bette lag und klagte, und der starke Mann im kleinen Wohnstüblein auf- und abschritt und weinend versicherte, daß er, wenn er nur helfen könnte, sein Blut drum geben wollte: da saß ich ehrfurchtsvoll in einer Ecke und sah aus großer Tiefe auf zu ihm! Ebenso als mein ganz kleines niedliches Schwesterchen Sabine gestorben war, und der Vater im Sessel saß und weinte!

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 Ach meine Kranken von Jugend auf! Als Sabine im Sterben lag, gab mir die Mutter einen Kreuzer und schickte mich fort, mir einen Bilderbogen zu kaufen. Fröhlich kam ich heim – da war mein Schwesterlein todt. Ich warf mich auf die Wiege und weinte sehr: ach mein Schwesterlein! Und zur Leiche wollte ich früh auf sein und mit gehen; es wurde aber nichts, man weckte mich nicht, und als ich erwachte, da stand