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hatte Löhe sich mit vollem Bewußtsein bereits damals emancipiert. Exordium, die streng thematische Form oder gar die beliebte Trichotomie der Predigt ist hier nicht zu finden. Löhe konnte voraussehen, daß es deshalb an Vorwürfen nicht fehlen würde, und rechtfertigt sich darum vorsorglicher Weise in der Vorrede zu der zweiten Auflage seiner „sieben Predigten“, indem er eine auch später gerne von ihm citierte Stelle aus Fenelons Gesprächen von der Beredtsamkeit anführt, aus der hier ein Bruchstück mitgetheilt werden mag: „Es wird freilich eine Ordnung erfordert, aber eine solche Ordnung, die man nicht gleich beim Anfang der Rede den Zuhörern verheißt und entdeckt. Cicero sagt, es sei fast allezeit am besten, sie zu verstecken und den Zuhörer dahin zu führen, ohne daß er es gewahr werde. Ja, er sagt wohl gar mit ausdrücklichen Worten (denn ich entsinne mich derselben gar wohl), daß ein Redner die Ordnung verstecken soll, auch sogar bis auf die Zahl seiner Beweisgründe, dergestalt, daß man sie nicht zählen könne, ob sie schon an und für sich unterschieden seien, und daß man keine deutlich angemerkte Eintheilung der Rede solle sehen lassen. Allein die Plumpheit der letzten Zeiten ist so groß geworden, daß man die Ordnung in einer Rede nicht erkennt, es sei denn, daß derjenige, der sie hält, bald bei dem Anfang den Zuhörern davon Nachricht gebe und sich bei einem jeglichen Punkte aufhalte.[1]

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 So wenig Löhe bei der Ordnung der Gedanken an pedantische Regeln sich band, so wenig mochte er jene Sprache


  1. Uebrigens verkannte Löhe den Nutzen einer streng thematischen Predigtweise nicht und bediente sich, getreu seinem Grundsatz: Summa utilitas omnis regula derselben gar oft, wenn er seinen Zuhörern eine göttliche Wahrheit besonders wichtig machen oder überhaupt mit einer Predigt einen bestimmten Zweck erreichen wollte.