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 Herr Vicar Löhe entgegnete:
 „Es ist wahr, ich habe wohl öfters geäußert, daß seit vierzig bis fünfzig Jahren ein neues Leben in der evangelisch-lutherischen Kirche erwacht sei, und daß vorher allerdings ein Verderben durch Unglauben und Lauigkeit herrschend geworden war; daß ich aber niemals in Bezug auf Kirchenlamitz gesprochen habe, wird Herr Decan Sommer, welcher ja zugegen gewesen sein soll, selbst beglaubigen können.“

    der 10 Klagepunkte schon lange vernommen habe und von dem sie auch im Grunde herrühren mögen) – von Separatismus redete und ihn nach alter Weise erklärte, gab er mir offen eine Antwort dieses Inhalts: Es sei auch Separatismus, wenn man sich im gewöhnlichen Leben von der Gesellschaft seiner Mitbürger lossage. Er meinte damit die Gesellschaften in den Wirthshäusern. Da nun diese hiesigen Orts nicht eben scheinen gelobt werden zu dürfen; da ohnehin Jedermann die Freiheit hat, seinen Umgang nach Neigung zu wählen; so scheint mir wenigstens nichts Tadelnswerthes dahinter zu sein, wenn einige Bürger – vielleicht aus religiösen Gründen – aufhörten, ihre sonst gewöhnlichen Gesellschaften zu besuchen. ,Religiöser‘ Separatismus aber ist das gewiß nicht.
     „Der Besuch des Wirthshauses an sich (ein Punkt, der zugleich auf Nr. 9 der zehn Klagepunkte antwortet) ist von mir so wenig als verwerflich dargestellt, daß bis auf den heutigen Tag viele der frömmsten Bürger es hie und da besuchen. Wiewohl auch dies von den Gegnern scheel angesehen wird und nicht ungestört geblieben ist. Unglücklicher Weise sind hiesigen Orts diejenigen, welche an der Spitze stehen, dem größten Theile nach Feinde der alten Lehre und des daraus folgenden Lebens, entschlossen, Alles, was anders denkt und lebt, entweder mit sich zu vereinigen oder wenigstens zum Schweigen zu bringen, damit sie unangefochten thun [191]