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Nerven, Du hast Stricke.“[1] Indeß dürfte man doch nicht meinen, daß Löhe in seiner Jugend sich einer völlig ungetrübten und dauerhaften Gesundheit zu erfreuen gehabt hätte. Im Gegentheil, er war nicht selten unwohl, er litt an vorübergehenden Ohnmachten, namentlich aber sehr häufig an empfindlichem Zahnweh. Gegen das Ende seines Kirchenlamitzer Aufenthaltes mußte er sich einer schmerzlichen und nicht ungefährlichen Operation unterziehen. Es wurde ihm ein Theil des cariös gewordenen Oberkiefers der linken Wange weggeschnitten. Die Operation gelang, und auch Besorgnisse der Aerzte, daß er durch das Fehlen des Oberkiefers im Predigen gehindert werden möchte, erwiesen sich zum Glück als unbegründet. Der Arzt, den Löhe in Krankheiten damals gewöhnlich zu Rathe zog, war der bekannte Homöopath Dr. Reuter. Im Umgang mit ihm war Löhe selbst ein eifriger Anhänger der Homöopathie geworden, wenn sich auch später seine Begeisterung für dieselbe merklich abkühlte. Als Vicar in Kirchenlamitz diente er gar manchem Kranken mit gutem Erfolg durch Verabreichung homöopathischer Arzeneien. Obwohl er hiebei alle mögliche Vorsicht brauchte und nur die auf Grund eingehender Krankenberichte von Dr. Reuter ordinierten Arzeneien verabreichte, seine Kuren auch durchweg glücklich waren, (allerdings waren die Kranken meist Psoraleidende), misbilligte er doch später entschieden derlei Eingriffe des Geistlichen in die ärztliche Thätigkeit und gab seine volle Zustimmung, als Arzt und Apotheker von Kirchenlamitz, mit denen er übrigens in wahrhaft christlicher Freundschaft


  1. Ein einfacher Handwerker aus H., der als Jüngling Löhe in Kirchenlamitz kennen gelernt hatte, besuchte den Herausgeber vor einigen Wochen und gab auf Befragen folgende Schilderung von Löhe’s äußerer Erscheinung: Er sah dürr, schmächtig, wie ein Jude aus, aber ein Paar Augen hatte er, daß er durch neun Paar Hosen schauen konnte.