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zu jeder Stunde Zeit und ein offenes Ohr. Das Glück der Stille und Einsamkeit wurde ihm unter solchen Umständen selten bescheert, seine amtlichen Arbeiten, ja selbst seine Predigten mußte er in Gegenwart von Kindern zu Stande bringen, deren täglich etwa 40 bis 50 zu ihm kamen und sich um den arbeitenden Vicarius herumtrieben. Von seinen 11 Schulen pflegte er im Anfang täglich wenigstens eine zu besuchen. Dazu kamen die viel Zeit in Anspruch nehmenden Kranken- und seelsorgerlichen Hausbesuche.

 Auf die Ausarbeitung seiner Predigten verwendete Löhe viel Fleiß und Mühe. In der Anfangszeit seines Kirchenlamitzer Aufenthaltes begann er mit dem Studium des Textes schon am Montag. „Ich schreibe alle meine Predigten“, sagt er in einem Brief vom 22. September 1833, „und je mehr Uebung ich erlange, desto weniger traue ich mir. Ich weiß, daß zum Segen nicht Arbeit, zum Laufen nicht Schnellsein hilft, aber ich will doch lieber arbeiten und laufen, so ist doch offenbar, daß mir am Segen etwas liegt.“

 „Siehe“, schreibt er in einem anderen Brief von früherem Datum, „meine Predigten muß ich mit Schmerzen gebären, vom Montag bis Sonntag arbeite ich die ersten Stunden des Tages an der Predigt mit Ausnahme des Sonnabends, wo ich die ersten Stunden in den Schulen zubringe. Ich seufze, bete und bange, bis ich auf die Kanzel gehe, und dann wird Gottes Gnade neu.“ Es wird wohl kaum der Bemerkung bedürfen, daß die Worte von der Schmerzensgeburt nicht etwa auf die Predigernöthen mancher Anfänger im Amt zu beziehen sind. Von solchen Erfahrungen blieb Löhe verschont. Aber es ist ein schöner Beweis seiner Gewissenhaftigkeit, daß er bei seiner eminenten, schon zu jener Zeit bewunderten Redegabe seine Predigten dennoch womöglich schriftlich ausarbeitete und eine