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 „Ueber Berlin hat Ihnen wohl mein lieber Bruder H. schon gründliche Nachricht ertheilt. Soll ich von mir reden, so hat mir Hengstenberg unter den Professoren, unter den Predigern Theremin am besten gefallen.

 „Schleiermachern hab ich gleichfalls als Prediger und academischen Lehrer schätzen gelernt in vielen Stücken. Der erste, ein natürlich starker und geisteskräftiger Jüngling oder junger Mann, geht in rechter Demuth überwunden durch die Kraft des HErrn unter Seinem seligen Joch mit Freuden. Weil er schwach geworden ist, so ist er stark. Gott lasse ihn noch lange eine Stütze Seiner heiligen Kirche sein. – Der zweite ist in seinen Predigten als eine wohlgestimmte Harfe, darauf der Geist des HErrn den Gläubigen das Lied des neuen Bundes spielt, daß auch die harten, kalten Herzen schmelzen. Ausgezeichnete Rednergabe im Dienste des ewigen Evangeliums. – Habe vieles gehört, was schwerer und nothwendiger ist, es wieder zu vergessen, als es zu lernen. Wir sind daheim – so suchen wir draußen, was wir nicht haben, nämlich Frieden, und wenn wir draußen sind, ist es auch nicht funden, was die Seele sättigen kann. Denn es ist nicht von dieser Welt. Sind wir aber einmal Bürger der ewigen Stadt geworden, so ist uns die Herberge der irdischen Pilgerfahrt überall gut. Ich bin beides, Dein Pilgrim und Dein Bürger, wie alle meine Väter! Und so wäre denn mein ehemaliger Traum eines gelehrten Lebens dahin, wenn ich auch nicht das geringe Maß meiner geistigen Gaben erkennete, wie ich alle Tage gedrungen hin, zu sehen. Spreu, die der Wind verweht! Die Liebe Jesu Christi bleibt.

 „Es ist der schwerste, fluch- und segenvollste Beruf, der Beruf des evangelischen Seelenhirten, ein königlich priesterlich, prophetisch, mit einem Worte: himmlisches Werk, zu welchem zugelassen zu werden demüthiger Christen größte Ehre sein soll!